Das lob’ ich mir: Frei von Attitüde und Größenwahn tritt Tom eher leise und mit Respekt auf. Das ist heutzutage eher selten – ein junger Mann mit einem ehrlichen Kopf auf seinen Schultern, einem Beutel Tabak, seinem Skateboard und einem Lächeln im Gesicht, der sich den New York Trip, von dem die nächsten Seiten erzählen, durch ehrliches Skaten mehr als verdient hat. // Pat Lindenberger
[Interview: Eric Mirbach]
Tom Kleinschmidt, geboren und aufgewachsen in Pirna, einer kleinen, dörflichen Gemeinde im Norden Dresdens, hat durch genau dieses ehrliche Skaten in den letzten Monaten deutlich auf sich aufmerksam gemacht – Bescheidenheit hin oder her. Gute Contestergebnisse (2009 war er Zweiter in der Gesamtwertung des COS und fuhr gute Platzierungen beim Mystic Cup in Prag ein) gingen Hand in Hand mit immer mehr Coverage in der deutschen Skateboard-Presse, inklusive zweier Cover.
Wer so abliefert, kriegt auch was zurück. Im September buchte Toms Teammanager bei Etnies die Tickets und das Apartment für einen Trip, der zur Belohnung für seine Leistungen der letzten Zeit gedacht war – sieben Tage in New York!
Ben Wessler und Pat Lindenberger nahmen den Jungspund während dieser Woche schnell in ihre Altherrenrunde auf und beobachteten aufmerksam, wie sich Tom an den für ihren hohen Anspruch bekannten Spots der Weltmetropole schlug. Und nach Toms letztem Skatetag im großen Apfel fanden wir uns zu einer gemütlichen Runde in Greenpoint, Brooklyn zusammen – natürlich über ein paar Bier aus braunen Papiertüten für jeden, der wollte. Selbst für den einzigen Unter-21-jährigen.
So Tom, fass’ doch mal kurz zusammen, wo du herkommst.
Ich bin in Pirna aufgewachsen und habe dort auch angefangen zu skaten. Wir waren da auch eine fette Bande, 30 Mann oder sogar mehr und es war auch eigentlich immer cool dort. Schön klein und dafür auch gute Spots. Aber irgendwann haben alle um mich rum aufgehört zu Skaten und da bin ich immer nach Dresden gefahren – jeden Tag direkt nach der Schule mit dem Zug. (…)
Wallie to Backside 5-0 am Courthouse in der Bronx – weggefahren fünf Minuten, bevor der Court-Officer um die Ecke kam | Seq: Eric Mirbach
Und dann bist du eben nach Dresden gegangen?
Ja, vor einem Jahr bin ich umgezogen, gemeinsam mit meiner Freundin, in eine Dreizimmerwohnung zusammen mit noch einem Freund von uns. (…) Wir wohnen perfekt mitten in der Neustadt, fünf Minuten vom Bahnhof, fünf Minuten vom Skateshop und alle Spots sind auch direkt um die Ecke.
Wie hat das bei dir angefangen, dass Skateboarding etwas „professioneller“ wurde?
Ich glaube, so vor fünf Jahren, mit 1952, als Shopsponsor. Da bin ich dann immer mal COS Cups mitgefahren und vor zwei oder drei Jahren hat mich Mirko, der damalige Teamanager gefragt, ob ich nicht Bock habe, für Etnies zu fahren und da habe ich mich so krass gefreut. Dann bin ich noch ein bisschen weiter Contests mitgefahren und dann ist Erik [Groß] nach Dresden gezogen und dann warst du ja mal in Dresden um mit ihm Photos zu machen und wir waren auf Gegenbesuch bei dir und dann hatte ich das Checkout in der Monster damals. (…)
Warst du schon viel auf Tour?
Gar nicht. Ich war einmal in Izmir mit dem Monster Magazine, dann einmal für einen Tag in Istanbul mit Etnies, das war’s dann auch schon. Ich war ein paar Mal in Prag, das ist ja direkt bei uns um die Ecke, bin jetzt auch mal nach Krakau gefahren, aber das waren keine richtigen Touren.
Und jetzt sitzt du hier.
(…) Das Ganze kam ganz spontan, also dass Etnies gemeint hat „so, du kannst jetzt in zwei Tagen nach New York fahren“. Das fand ich natürlich fett und dann bin ich hergekommen.
Wie hat’s dir gefallen?
Ich fand’s richtig gut, ich würde am liebsten noch länger bleiben. Schönes Wetter, geile Spots…
Pat: Stichwort geile Spots – man hört ja auch anderes? Warum findest du die Spots denn gut?
Genau deshalb, weil’s eben so scheiße ist. Schlechter Belag, hart zu fahren… Und ich denke, ich mag das, weil das bei uns zu Hause ja auch so ist. (…)
Siehst du Parallelen zwischen New York und Dresden?
Die Spots sind ähnlich wie bei uns, besonders vom Belag her, der ist am Ende sogar noch schlechter und dann noch mit ’ner Kante im Absprung. (…) Aber so fette Banks wie hier, das findet man bei uns eher selten. Und die Menschen sind alle meganett und gehen einem nicht sinnlos auf die Nerven, wenn man irgendwo langpusht, selbst durch den Verkehr. (…)
Photo: Eric Mirbach
Du bist das erste Mal weiter weggeflogen?
Ja, ein ziemlicher Sprung ins kalte Wasser. Ich war auch ganz schön überrascht im Flieger, wie lang das doch dauert.
(Perplexe Blicke, dann Gelächter) Also klar, ich konnte es mir schon denken, aber das hat dann doch schon ganz schön lange gedauert, dann noch mit dem Umsteigen und so… Das war ja eh so eine Geschichte, mit den Boards und dem Umsteigen. (…) Die meinte, das kostet sonst Geld, also hab ich meine Bretter inklusive Achsen mit in die Maschine genommen und von Berlin nach Paris war auch alles cool.
Du hast deine Boards als Handgepäck mitgenommen?! Hallo?
Ja und in Paris meinten die dann halt „geht gar nicht – entweder du haust das jetzt hier weg oder gibst es als Gepäckstück auf und verpasst deinen Flug“, der kam ja so ziemlich direkt im Anschluss. (…)
Und angekommen in NY…
… dann Geld gewechselt, hab mich schön abziehen lassen beim Wechselkurs und bin dann gar nicht mehr klargekommen. Den Subway-Plan habe nicht verstanden, ich bin hin- und hergerannt wie doof, habe nicht gewusst wohin und dann hab’ ich mir einfach ein Taxi genommen, bevor ich da drei Stunden rumeiere und die Lady, mit der ich mich treffen sollte zur Schlüsselübergabe für das Appartment, wieder abhaut, weil ich nicht auftauche.
Wie ist dein Englisch überhaupt?
(…) Ich versteh’ schon alles, aber Reden geht halt nicht so gut.
Pat: Wie war das Skaten so für dich in New York?
(…) Und wenn man erstmal selbst an all den Spots steht, merkt man auch, dass die New Yorker Skater alle noch mal viel krasser sind, als man vorher sowieso schon dachte. Man kennt die Spots alle aus den Videos und denkt sich „wie geil, da will ich unbedingt mal hin“ – und dann stehste dort und denkst dir „Scheiße, doch nicht so fett“. (…)
Hast du das Gefühl, was von der Stadt gesehen zu haben?
Schon, aber zu wenig. Mein Aufenthalt war einfach zu kurz, eine Woche reicht nicht aus.
Pat: Also Ansage wie alle anderen: „Ich komme wieder?“
Ja, schon.
Wie hat sich das ergeben, dass du hergekommen bist?
Der Andi, der neue Teammanager, hat mich gefragt, ob ich noch Bock habe, was für die Monster zu machen und ich wusste ja, dass du hier bist und ich habe mehr aus Spaß gesagt „joah, New York wäre doch auch fett“.(…)
Und weil wir Brooklyn, Queens und die Bronx schon hatten, hier noch ein Spot in Manhattan – Backside Flip am Pier und über den Pöller | Photo: Eric Mirbach
Und warum haben die nicht wen anders geschickt?
Weil ich Glück hatte?
Meinste?
Naja, ich denke mal, ich hatte dieses Jahr ja schon ein Bissel was an Photos…
Gute Contestplatzierungen…
Ja, stimmt.
Eben. Sei nich’ so bescheiden.
Pat: Bist ja immerhin schon nach New York gekommen mit deinem Skaten. Und wie geht das für dich weiter, willst du da professioneller rangehen, jetzt, wo du merkst, dass du dafür auch was kriegen kannst? Wie sieht’s bei dir beruflich so aus?
Ich will eigentlich nur skaten, also, ich habe mir da nicht so viele Gedanken gemacht. Ich meine, ich habe ja meine Lehre im 1952 Skateshop angefangen, meinem ersten Sponsor damals. (…) Jetzt bin ich fertig mit der Ausbildung und seit zwei Monaten arbeitslos und gehe viel skaten, das ist eigentlich perfekt. Ich gehe zweimal die Woche als Aushilfe arbeiten, da komme ich mir nicht komplett sinnlos vor, aber sonst…(…)
Pat: Die Frage ist eigentlich: Ziehst du nach Berlin?
(Gelächter) Nee. Berlin mag ich nicht.
Aber New York schon?
Ja. Hier würde ich hinziehen. Hier gefällt es mir viel besser, allerdings war ich ja auch nur eine Woche hier, vielleicht habe ich die schlechten Seiten einfach noch nicht gesehen. (…) Dafür gibt’s aber auch viel zu sehen. Einfach so groß. Das hat mich schon geflasht.
Was waren so deine Top drei Eindrücke?
Der Central Park, der ist so riesig! (…) Dann, joah, das Hochhaus, am Ende. Wär’ ich oben gewesen…
(Gelächter) Du meinst das Empire State… Warum bist noch mal nicht hochgefahren?
Es waren so viele Leute da. Und das wäre viel zu teuer gewesen.
Wir sprechen von…?
20 Dollar oder 40 für die Expressroute.
Also unten stehen und hochgucken war schon beeindruckend genug…
Schon! Und die Subway-Fahrten. (…) Wenn bei uns die Straße kaputt ist irgendwo, fährt die Bahn Schrittgeschwindigkeit und der hackt hier einfach durch.
Pat: Und Downtimes? Was fandest du nicht gut? Trinken ab 21?
Die ganzen Leute hier mit ihren Autos, die sie einfach immer laufen lassen, egal was ist. (…)
Pat: Wie fandest du die Crew, wie war es, hier so dazu zu stoßen? Du kanntest ja außer Eric keinen, weder Ben noch mich vorher.
Ich fand’s cool, ihr seid ja coole Typen, ihr ward ja auch nicht wirklich böse zu mir.
Ben: Ab und zu schon…
Ja, am Anfang ein bisschen, aber ich fand’s echt cool. Können wir gerne noch mal machen, zusammen irgendwohin fahren.
Hast du das Gefühl, dich gut zurechtgefunden zu haben, wie ist deine Orientierung?
Ja, das ging schon, wir waren ja oft an denselben Ecken.(…)
Du hast dir ja einen Day Off erskatet, den hast du dir verdient… Wie hast du den rumgebracht?
Ich bin zum Central Park gefahren und hab’ mir den angeguckt, dann bin ich die ganze Straße runtergepusht…
… die komplette Fifth Avenue, vom Central Park bis an die Waterfront, das sind wie viele Blocks?
Ben: Knallhart 60 Blocks.
Mit Schlenker am Empire State Building vorbei.
Pat: Wenn du jetzt, wo du hier warst, einem Skater, der das erste Mal nach New York kommt, einen Tipp geben könntest, was würdest du ihm sagen:
Man braucht viel Geld. Ich habe echt eine Menge allein für Essen ausgegeben.
Dabei bist du ein Sparfuchs…
Ja – nur manchmal bin ich faul, dann spar’ ich nicht mehr (lacht).(…)
Pat: Und was noch, so im Bezug auf’s Skaten?
Na, große Reefen mitnehmen.
(Gelächter)
Tom fährt für Etnies, RVCA und Almost
// Den vollen Artikel mit allen Photos, allen Sequenzen und allen unschlagbaren Kleinschmidt-Quotes findet ihr in gedruckter Form in MSM #293
Share