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Stacy Peralta. Foto: Owen Tozer

Interviews

„Wenn man seine Vergangenheit loslässt, befreit das, um in der Zukunft zu leben“

Text & Interview: Niklas Müller.
Titelbild: Owen Tozer

Vielleicht ist es etwas gewagt, zu behaupten, Skateboarding wäre ohne Stacy Peralta nicht da, wo es heute ist. Vielleicht ist aber auch etwas wahres dran. Denn auch wenn es unmöglisch ist, den Einfluss eines einzigen Menschens auf etwas zu messen, das so schwer zu definieren ist wie Skateboarding, hat wohl kaum jemand die Kultur, die Industrie und den Sport so sehr geprägt wie Stacy. Vielleicht hätte ja jemand anders den ersten Skateboardingschuh zusammen mit Steven Van Doren entworfen. Vielleicht hätte auch jemand anders das erste Skateboarding Video gedreht und die größte Skatefirma der 80er Jahre mitgegründet. Vielleicht hätte ja sogar jemand anders ein paar unbekannte Teenager namens Tony Hawk, Steve Caballero und Rodney Mullen entdeckt und ihnen die Möglichkeit gegeben, Skateboarding auf ein neues Level zu heben. Vielleicht. Während man also darüber streiten kann, ob es den Vans Era, eine Firma wie Powell-Peralta oder ein Skateboardteam wie die Bones Brigade ohne Stacy Peralta gegeben hätte, kann man mit Sicherheit behaupten, dass kaum ein zweiter eine so vielfältige Laufbahn wie der Kalifornier mit irisch-mexikanischen Wurzeln hinter sich hat.

Foto: Thibaut Paruite

Als einer der ersten gesponsorten Skateboarder überhaupt beendet der damals erst 21-jährige seine aktive Karriere, um zusammen mit dem Ingenieur George Powell eine eigene Skatefirma zu gründen. Nach 13 extrem erfolgreichen Jahren kehrt er jedoch im Jahr 1991 Skateboarding den Rücken zu, um als Regisseur in Hollywood zu arbeiten. Inzwischen haben sich die vermeintlichen Widersprüche in ihm vereint – er skatet nach wie vor fast täglich, dreht Dokumentationen über die Anfänge des Skateboardens  und ist wieder bei Powell-Peralta in beratender Funktion tätig.


Wir haben Stacy zur Europapremiere seines neuesten Filmes “The Yin and Yang of Gerry Lopez” in Portugal getroffen, um mit ihm über Skateboarden in den 70er und 80er Jahren zu sprechen, die Bones Brigade, Andy Anderson, und wie Skateboarding ihm geholfen hat, Rückschläge wegzustecken.


Stacy, wie geht’s dir?


Sehr gut, danke. Es ist ein wunderschöner Tag und ich darf hier Interviews für den Film geben, den ich zuletzt produziert habe und der heute zum ersten Mal in Europa gezeigt wird – The Yin and Yang of Gerry Lopez.

 

Wie fühlt es sich eigentlich an, einen Film mit so einer Legende zu drehen?


Ehrlicherweise ist jeder Film den ich mache, extrem nervenaufreibend. Jedes Mal frage ich mich: Kann ich das durchziehen? Schaffe ich das? Bin ich auf dem richtigen Weg? Erzähle ich die Geschichte richtig? Passt die Musik? Letztendlich geht es aber in erster Linie darum, herauszufinden, wie der Film selbst erzählt werden will.

 

Klingt nach einem ziemlich langen Prozess, seit du 1983 The Bones Brigade Video Show produziert hast, den ersten Skateboard.- bzw. Actionfilm überhaupt.
Wie kam es eigentlich dazu?


Oh ja! Ich habe einen Weg hinter mir, den ich so nie erwartet hätte. Ich hatte damals das beste Skateboarding Team der Welt, aber keine Möglichkeit der Welt zu zeigen, was die Jungs draufhaben. Unsere Möglichkeiten waren damals sehr viel limitierter als heutzutage, denn mit Magazinen konnten wir durch die Fotos nur den Bruchteil eines Tricks zeigen. Wir wollten aber der Welt die kompletten Tricks von vorne bis hinten zeigen, und so entstand die Idee, ein Video zu produzieren. Die Aufgabe landete dann letztendlich bei mir, weil wir uns keine Produktionsfirma leisten konnten. Also kaufte ich mir eine Kamera und legte einfach los. Damals war ich gerade mal 24 Jahre alt [lacht].

Wie wurde das Video denn zur damaligen Zeit von der Community aufgenommen?


Unglaublich! Es war, als hätte die Welt genau darauf gewartet! Wir konnten dadurch Skateboarding etwas geben, wovon wir und die Leute da draußen selbst nicht wussten, wie sehr sie es gebraucht haben. Zuerst dachten wir, wir würden das Video nur an Shops verkaufen, sodass er dort hinter der Theke läuft. Als es aber rauskam, hatten plötzlich 70% der Welt VHS Player gekauft. Von unserem ersten Video haben wir dadurch 30.000 Stück verkauft und uns wurde gesagt, dass pro verkaufter Kopie 50 Kids das Video gesehen haben, weil sie sich verabredeten und es zusammen hoch und runter schauten. Für George (Powell) und mich war also klar, dass wir von da an jedes Jahr ein Video produzieren würden.

In den frühen 80er Jahren, als auch das MSM gegründet wurde, war Skateboarding kurz vor dem Aussterben in den USA. War das Video, das 1984 released wurde, eine der Faktoren, die Skateboarding gerettet haben?


Ja, das war krass. Skateboarding war Mitte der 60er Jahre schon einmal von der Bildfläche verschwunden und wir hatten wirklich Angst, dass das 20 Jahre später wieder passieren würde. Das Video hat mit Sicherheit eine Rolle gespielt, Magazine wie das MSM und in den USA Thrasher waren auch wichtig, aber eine der Hauptgründe war Streetskating, was immer populärer wurde.

 

Was war denn deiner Meinung nach überhaupt der Grund für die Krise Anfang der 80er Jahre?


Damals war es einfach noch ein neuer, junger Sport und es gab noch so viele Dinge, die es zu verbessern galt. Die Skateparks die damals existierten, wurden alle in der 70er Jahren gebaut und die Kids die dort skateten hatten alles andere als Spaß. Die Parks wurden also immer leerer, weswegen sie auch nach und nach abgerissen wurden. Ohne Parks kaufte keiner mehr Boards und so gingen auch die Shops nach und nach Pleite. Nur der harte Kern machte noch weiter. Während dieser Zeit lernten wir aber etwas Elementares: Skateboarding wollte nie ein organisierter Sport sein sondern verlangte nach einer gewissen Unordnung. Und so wurden aus organisierten Contests in asphaltierten Skateparks die Backyards Sessions auf selbstgebauten Holzramps. Letztendlich war es das, wonach Skateboarding verlangte. Unordnung und eine Punk Attitüde. Nicht umsonst nannten sich die Magazine die damals entstanden Thrasher und Monster statt Skateboarder Magazine.

Foto: Thibaut Paruite

 

Zu dieser Zeit des Umbruchs warst du ja eine Art Mentor für die Bones Brigade. Wie kam es denn dazu?


Naja, ich war ja selbst auch mal Pro und kannte daher all die Stolpersteine, die dieses Leben mit sich bringt. Mir war klar, dass wenn man das alles zu ernst mit, man eigentlich nur verlieren kann. Lass es mich dir so erklären: Ich versuchte damals gar nicht in erster Linie meine Brötchen mit Skateboarding zu verdienen, genauso wenig wie Tony Alva oder Jay Adams. Denn obwohl wir Skateboard fuhren, existierte es damals praktisch nicht. Es gab keine Skateshops, Parks oder irgendeine Zukunft in diesem Bereich, also versuchten wir alle damals, professionelle Surfer zu werden. Als dann das Urethane Wheel erfunden wurde, waren wir schon ziemlich lange ziemlich Hardcore unterwegs, also waren wir die ersten als es um Sponsorenverträge ging. Wir surften also auf einmal diese verdammt steile und schnelle Welle, die Skateboarding plötzlich erschuf, ohne dass jemals jemand vor uns auf dieser Welle stand. Keiner von uns wusste, was ihn erwarten würde. Ich merkte jedoch ziemlich schnell, dass wenn man mal nicht mehr auf der Welle ist, sie sich ziemlich schnell weiterbewegt und man keine Chance mehr hat, ihr hinterherzukommen. Ich habe so viele Pros gesehen, die sich selbst zu ernst genommen haben, die Welle verpasst haben und dann erst realisierten, dass sie gerade die beste Chance ihres Lebens haben verstreichen lassen. Und mit diesem Gedanken im Hinterkopf habe ich meine aktive Karriere erfolgreich bestritten, genau wie Tony (Alva). Jay (Adams) und so viele andere haben das nicht geschafft, und das war und ist einfach traurig mit anzusehen. Als ich dann die Möglichkeit hatte, ein eigenes Team zu managen, war mir sehr wichtig, dass die Jungs diese Chance die sie haben, bestmöglich nutzen und diese Welle möglichst lange surfen um eine erfüllende Karriere zu haben. Und so war es fast schon meine Pflicht, ein Mentor für diese Kids zu sein, weil ich nicht wollte, dass irgendjemand in diesem Team mal etwas bereuen würde.


Dogtown Boys: Stacy Peralta, Tony Alva und Jay Adams.

Stacy Peralta.
Tony Alva.
Jay Adams.

Verstehe. Die Versuchungen müssen aber da gewesen sein. Niemand kannte die Bones Brigade um Steve Caballero, Tony Hawk, Rodney Mullen oder Lance Mountain. Nach “The Search for Animal Chin” wurden sie ja quasi über Nacht zu Rockstars.


Stimmt, sie wurden wirklich auf einen Schlag extrem berühmt, weil sie eben niemand kannte. Aber das ist auch wieder so eine Sache. Damals war eigentlich die normale Vorgehensweise, wenn man ein Team gründete, bekannte Skater von anderen Teams abzuwerben. Das war aber nicht was ich wollte, ich wollte 13-jährige Kids, die kein Mensch kannte. Das war zwar ein Risiko, weil man im Gegensatz zu bekannten Fahrern natürlich nicht weiß, wie sich ein 13-Jähriger entwickeln wird. Aber durch dieses Risiko, durch die Zeit die ich mit den Jungs verbracht habe, entwickelte ich eine starke Bindung zu ihnen. Immerhin fuhr ich sie von Contest zu Contest, fütterte sie durch und war immer für sie da. Die meisten kamen aus relativ unstabilen familiären Verhältnissen, in denen ihre Eltern alles andere als eine konstante Rolle einnahmen. Ich war also eine der wenigen Konstanten in ihrem Leben, wodurch natürlich eine tiefe Bindung entstand.

Wie war es dann für die Jungs als du 1991 deine dritte Karriere als Produzent in Hollywood gestartet hast?


Naja, man muss sich dazu ins Gedächtnis rufen, dass Anfang der 90er Jahre auch für die Jungs langsam ihre aktive Karriere zu Ende war und sie sich weiterentwickelten um zum Beispiel eigene Brands zu starten. Das war auch eigentlich etwas, was ich zusammen mit George ins Rollen bringen wollte. Ich erkannte die damalige Entwicklung im Skateboarden und sah Powell-Peralta ein wenig wie ein Plattenlabel mit Firmen im Jazz, Classic Rock etc. Meiner Meinung nach war die einzige Möglichkeit für die Firma die 90er Jahre zu überstehen, für jeden unserer Teamfahrer eine eigene Brand zu gründen, aber George sah das eben anders und wollte weitermachen wie bisher. Er hatte mehr Firmenanteile als ich und so entwickelten sich die Dinge eben wie sie sich entwickelten. Für mich war es dann eben an der Zeit, neue Dinge zu probieren.

Und warum dann Hollywood? Warum Filme produzieren? War einer der Gründe, dass schon dein Vater damals im Filmgeschäft tätig war?


Eher nicht. Er war einer der Buchhalter bei den Warner Brothers, das hatte also nicht direkt mit der Richtung zu tun, die ich dann einschlagen sollte. Es war eher so, dass ich zur damaligen Zeit schon mehrere Skateboarding Movies produziert hatte, und einen ziemlich innovativen Ansatz hatte, diese zu produzieren und zu schneiden. Mehrere Leute aus Hollywood sahen dann meine Arbeit, weil ihre Kinder die Powell-Peralta Movies immer wieder anschauten. Ihnen gefiel meine Arbeit und so wurde ich schon vorher immer wieder für kleinere Tätigkeiten in Hollywood engagiert. 1991 war dann eben der Zeitpunkt, in dem ich mich dem ganzen voll und ganz widmete. Die nächsten 7 Jahre waren dann aber wirklich zäh. Ich arbeitete zwar die ganze Zeit wie ein Wahnsinniger, aber nie für Projekte, die mir gefielen. Und obwohl das wirklich eine schwierige Zeit für mich war, lernte ich extrem viel dazu. Und dann nach sieben Jahren bekam ich endlich die finanziellen Mittel um den Film zu drehen, den ich die ganze Zeit drehen wollte, nämlich die Dokumentation Dogtown and Z Boys.

Foto: Thibaut Paruite

Glaubst du, dass du diese sieben Jahre überstehen konntest, weil du während deiner aktiven Zeit als Skater gelernt hast, mit Frustration und Versagen umzugehen?


Hundert Prozent. Wenn es einen Schlüssel zu meinem Erfolg gibt, dann den, dass ich gelernt habe, mit Misserfolgen umzugehen. Denn im Leben ist es genau wie beim Skaten. Man versagt und fällt durchgehend auf die Schnauze, wenn man etwas Neues probiert. Und glaub mir, wenn bei mir etwas schiefgeht, bin ich nach wie vor so angepisst wie damals. Ich werde dann schnell frustriert und bemitleide mich selbst, aber der Unterschied ist, dass ich das inzwischen als Teil des Prozesses wahrnehme. Ich verstehe dann, dass ich mal wieder auf die Schnauze gefallen bin und verstehe, dass ich mal wieder den ganzen Scheiß von vorne aufrollen muss und bei Null anfange, auch wenn ich überhaupt kein Bock darauf habe. Und dann steh ich auf und fang von vorne an, egal wie sehr es mich in dem Moment ankotzt. Das ist wirklich der Schlüssel zu all meinen Erfolgen, und das kommt vom Skaten. Als wir anfingen, Pools zu skaten, war der wichtigste Move für uns, richtig hinzufallen. Wir hätten keinen einzigen neuen Trick probieren können, wenn wir vorher nicht verstanden hätten, uns richtig auf dem Beton abzurollen. Stell dir mal vor du klatscht von 3 Metern vom Coping auf den Boden, da brichst du dir alle Knochen. Man muss sich also damit abfinden, dass man gleich hinfällt um sich abrollen zu können. Und diese Akzeptanz für Versagen ist beim Skaten genauso wichtig wie in der Geschäftswelt. Und glaub mir, auf die Schnauze zu fallen geht so schnell, wenn man einen Film produziert. Ich bin im Filmgeschäft schon so oft sprichwörtlich aus 3 Metern auf den Asphaltboden geknallt. Um einen Vergleich im Surfen zu finden: Wenn ich einen Film produziere befinde ich mich durchgehend in der Impact Zone, wo die Wellen über mir brechen und ich um mein Leben paddle. Aber so ist es auch im alltäglichen Leben. Der Alltag ist voller Hürden, die uns durchgehend in den Weg gestellt werden. Und mir gefällt das auch nicht, ich wünschte auch, ich müsste nicht immer wieder von vorne anfangen. Denn zu versagen ist auch verdammt einsam, aber so ist es nun einmal. Wenn man etwas erreichen will, muss man da durch, und Misserfolge zu akzeptieren hat mir dabei verdammt viel gebracht. Es ist zwar hart, aber ich bin immer noch da und mache weiter.

 

Und jetzt im Moment bist du fertig mit deinem letzten Film und kannst es abseits der Wellen auf deinem Surfboard genießen. Genug zu tun hast du trotzdem. Du bist ja auch wieder bei Powell-Peralta am Start. Wie sehr bist du dort ins tägliche Geschäft mit eingespannt?


Ich bin wieder für viele der Videos, die produziert werden, verantwortlich und viel mit den Fahrern in Kontakt. Mir ist wichtig, dass ihnen klar ist, dass sie mich jederzeit anrufen können, um mit mir über ihre Karriere zu reden. Und ich gebe hier und da George auch ein paar Ratschläge. Ich berate also ein wenig, bin aber bei weitem nicht so eingespannt wie früher. Damals war das ja ganz anders, da habe ich mir vier Werbungen pro Monat ausgedacht, habe ein Video im Jahr produziert und bin von Contest zu Contest getourt, das war ein 15 Stunden Job, jeden Tag.

Ich versuche mal eine Brücke von der Bones Brigade zum heutigen Powell-Peralta Team zu bauen, beziehungsweise zu einem Skater im Speziellen. Wie sehr erinnert dich Andy Anderson und sein kreativer Ansatz an den Sprit der damaligen Bones Brigade?


Ich verrate dir was: George und ich waren dafür verantwortlich, dass Andy bei Powell-Peralta gelandet ist. Die Team Manager wollten ihn nicht dabeihaben, nicht mal die Fahrer selbst wollten ihn an Board haben. Keiner wollte mit ihm arbeiten, weil keiner dieses gewisse Etwas in ihm gesehen hat. Aber George und ich haben das Team um Vertrauen und etwas Geduld gebeten und uns bei dieser Entscheidung durchgesetzt. Also haben wir Andy alles an Support gegeben, was er gebraucht hat und ihn sich einfach entwickeln lassen, und er hat daraus eine einzigartige Karriere kreiert. Er ist so ein besonderer, sympathischer und vor Allem unglaublicher smarter Kerl und einer der Fahrer, die mich am meisten anrufen. Wir haben erst vor zwei Tagen lange gesprochen! Er fragt die richtigen Fragen, will viel wissen und hört für ein Jungen in seinem Alter auch extrem gut zu. Das Beste an Andy ist aber, dass er keine Limits kennt. Er ist nicht der typische Skateboarder, der nur Street oder nur Vert fährt, sondern er sieht Skateboarding  einfach als Skateboarding und vereint aus allen Welten das, was ihm am besten gefällt.

Foto: Brandon Artis.

Das sieht man ja auch in seinem Powell-Peralta Pro Model. So ein krassen Mix Up Shape hat es ja auch noch nie gegeben.


Genau. Das Skateboard und der Schuh, den er kreiert hat, sind so verschieden, von dem, was alle anderen Pros machen. Er ist wirklich ein Original und versucht nicht irgendjemanden zu imitieren. Er ist auch noch genauso nahbar wie am ersten Tag und bläst sein Ego oder seine Identität nicht zu sehr auf. Er ist tatsächlich sogar einer der Gründe, die mich wieder zurück zum Skateboarden gebracht haben, weil es einfach so viel Spaß macht, mit ihm zu arbeiten. Genauso wie ihm zuzuschauen einfach Spaß macht, viele Leute vergessen manchmal, dass Skateboarden vor Allem Spaß machen soll.

Wo siehst du denn Skateboarding im Allgemeinen momentan?


Ich glaube, Skateboarding ist gerade in einer großartigen Position, weil man es nicht mehr definieren kann. Denn was oder wer definiert Skateboarding? Sind es die Longboarder in Paris, die auf ihren Boards tanzen, die jungen Mädchen in Afghanistan, Street Skater in den USA oder Freestyle Skater in China? Es ist nichts davon und alles auf einmal, denn Skateboarding definiert die Person, die auf ihr Skateboard steigt. Aber ich sag dir, was Skateboarding nicht ist: Es ist nicht die Industrie. Nicht was eine Marke definiert, und nicht was ein Magazin als Skateboarding proklamiert. Skateboarding ist genau das, was die Person, die auf ihr Skateboard steigt, will dass es ist. Ein Skateboard ist ein lebloses Objekt, bis jemand drauf steigt und diesem Objekt Leben einhaucht. Wenn man sich die alten Bones Brigade Videos anschaut, sieht man, dass wir genau das versucht haben zu zeigen. Nämlich alle Formen und Aspekte des Skatens, auch die, die als uncool galten oder gelten. Freestyle Skaten, Mini Ramp, Vert, Street, Skater die es auf die Schnauze haut. Weil wir eben wollten, dass die Person die es anschaut, selbst entscheidet, welche Form oder welchen Aspekt er oder sie am besten findet.

 

Und hättest du denn gedacht, dass Skateboarding mal ein High Fashion Statement werden könnte, wie man es zum Beispiel von Marken wie Supreme sieht?


Nie im Leben! Aber ich hätte mir von Anfang nie erträumen lassen, dass es überhaupt mal so groß wird. Man muss sich vorstellen, dass es für uns ja nie einen Ort zum Skaten gab. Wir wurden von überall verjagt, weil wir nirgendwo erwünscht waren. Unsere Eltern wussten auch nicht, was wir da trieben, heutzutage ist das anders. Heute sind oder waren die Eltern vieler Kinder ja selber Skater. Aber so oder so, gibt es einen magischen Faktor, der Skateboarding immer attraktiv machen wird und den es bei keinem anderen Sport auf der Welt gibt. Daher habe ich mir auch keine Sorgen gemacht, dass Skateboarding seine Seele verliert, als es olympisch wurde. Denn Skateboarding wird immer irgendwo auf der Welt illegal sein. Und jeder Ort, an dem „No Skateboarding“ steht, wird Skater immer magisch anziehen. Denn genau dieses Verbot macht es so verlockend, dort zu skaten und Spuren zu hinterlassen. Das macht Skateboarding eben so speziell, dass man es an Orten ausüben kann, an denen es verboten ist. Und egal was kommt, Olympia, Supreme mit all dem Geld oder andere Entwicklungen, dieser illegale Aspekt wird immer dafür sorgen, dass Skateboarding seine Wurzeln nicht verliert. Genau darum hat Skateboarding so eine wahnsinnige Anziehungskraft. Aber trotzdem war das Beste, was ich je für Skateboarding getan habe, es hinter mir zu lassen.

Meinst du 1991? Das musst du genauer erklären!


Ich sehe das so: Bevor ich Skateboarding 1991 den Rücken zukehrte, hatte ich mehr als jemals eine Person vor oder nach mir, die einzigartige Möglichkeit, Skateboarding einen eigenen Stempel aufzudrücken. Ich hatte die Möglichkeit, quasi Actionsportvideos zu erfinden. Ich durfte das großartigste und prägendste Skateboarding Team der 80er Jahre aufbauen. Davor war ich war Teil des ursprünglichsten Skateboarding Teams überhaupt, dem Zephyr Team und hatte einer der großartgisten Karrieren meiner Generation. Ich hatte eine großartigere Karriere, als ich es mir jemals erträumen konnte. Und ich hätte diese Karriere natürlich fortsetzen können, aber 1991 war ich einfach nicht mehr mit vollem Herzen dabei. Jeder kennt Menschen, die viel erreicht haben, und dann aber einfach nicht loslassen können. Das wollte ich nie. Ich hätte Skateboarding wohl mehr geschadet, wenn ich aus egoistischen Gründen um jeden Preis dabeigeblieben wäre.

Foto: Thibaut Paruite

Ich musste also diesen Teil meiner Identität loslassen, und ich bin sehr stolz darauf, dass dieser Teil zu mir zurückgekehrt ist, ohne dass ich wirklich viel dazu getan habe. Und jetzt ist Skateboarding wieder ein wichtiger Teil meines Lebens, aber ein Teil, den ich mehr genießen kann. Ich liebe es mit Andy und dem Rest des Teams zu arbeiten, und bin stolz auf die Videos, die wir produzieren. Die Verbindung ist also noch da!

 

Wie oft skatest du denn noch?


Fast täglich! Es hält mich fit aber ich skate vor Allem, weil es mir noch genauso viel Spaß macht wie früher. Es ist einfach ein Teil von mir!

 

Und hast du Animal Chin schon gefunden?


[Lacht] Noch nicht! Aber es macht nach wie vor Spaß, nach ihm zu suchen! Mit 16 Jahren war mir sehr bewusst, was für ein großartiges Leben ich als Surfer und Skateboarder führen darf. Diese Freude habe ich seitdem versucht beizubehalten. Und nach all diesen Jahren, nach all den Erfolgen und Misserfolgen, nach all der Euphorie und Frustration, habe ich als dieser 16-jährige Stacy noch Spaß auf der Suche nach Animal Chin. Mein nächstes Projekt ist Foilsurfen zu lernen. Das wird verdammt hart, ich weiß jetzt schon wie viel Enttäuschung und Frustration da auf mich warten. Aber irgendwann steh ich dann auf dem Board, und wer weiß, vielleicht wartet dort ja Chin auf mich.

Lieber Stacy, vielen Dank für das Interview!


Für das MSM immer gerne, hat wirklich großen Spaß gemacht. Richte Titus liebe Grüße von mir aus!

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