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Culture

Louisa Menke

Dieses Intro wird Louisa kaum gerecht werden, weil das ganz einfach fast unmöglich ist. Auch wenn sie es nie zugeben würde, ist sie zu groß dazu. Sie war eine Wegbereiterin: Als Europas erste Frau mit Pro-Model (falls ihr das vergessen habt) zerstörte sie jeden Spot. Heute beeindruckt vor allem ihre Kindness, die sich in der Kunst, in der Musik oder auf dem Skateboard ausdrücken kann. Es wurde höchste Zeit, sich eingehend mit ihr zu unterhalten. Und wir sind stolz darauf, Louisa in unserer Comeback-Ausgabe zu haben.

Backside Tailslide – Foto: Andonesia

Skateboarding hat mir geholfen, meinen Weg zu finden

MSM: Wie bist du damals zum Skateboarding gekommen? Mein Gefühl ist, dass Frauen-Skateboarding in den Niederlanden schon immer akzeptierter war als im Rest von Europa. Stimmt das?

Louisa: Als ich jünger war, wollte eines Tages eine Freundin mit mir zur Miniramp in unserer Stadt. Da hat mir ein Local gleich drei Tricks beigebracht. Ich war hin und weg, so schnell zu lernen, die Locals auch. Ich war also gleich ins Skateboard verliebt und bin täglich zur Rampe gekommen. Das war so um 1996. Die Szene dort hat mich akzeptiert, weil ich das Skaten sichtlich liebte. Und weil ich ja mit Freundinnen angefangen habe, ist mir erst gar nicht aufgefallen, dass Mädchen im Skateboarding selten waren. Warum die Welt so männlich dominiert ist, habe ich nie verstanden, aber so ist es eben. Sexismus und Rassismus waren immer ein Ding. Ich bin mit einer alleinerziehenden Mutter groß geworden, die mir immer gesagt hat, dass ich alles schaffen kann, Geschlecht hin und Hautfarbe her. Skateboarding hat mir geholfen, meinen Weg zu finden. In der Skateszene fühlte ich mich wohl, auch weil es da viele Kids mit gemischter Herkunft und geschiedenen Eltern gab, genau wie ich selbst es auch bin. Die haben mich wie eine Schwester aufgenommen, und weil ich keinen Vater hatte, war es gut, Geschwister zu bekommen.

MSM: Lass uns zuerst über das Heute sprechen.Was machst du so im Moment?

Louisa: Eine neue Wohnung suchen, also hänge ich viel auf diesen Immobilienportalen herum. Ich lerne Klavier. Ich skate, arbeite, treffe Bekannte und so. Wenn es Wellen gibt, surfe ich. Und ich versuche, mehrYoga zu machen.

MSM: Du hast kurz in Berlin gelebt, jetzt bist du in Barcelona. Was gefällt dir so daran?

Louisa: Nach Barcelona bin ich das erste Mal 2003 gekommen. Freunde von mir zogen in ein Haus, in dem noch eine kleine Kammer leer war, und fragten mich, ob ich da einziehen will. Damals war ich auch mit meiner Mutter gerade in eine neue Stadt gezogen, in der ich eh niemanden kannte, also war das ein guter Zeitpunkt. In Barcelona fühle ich mich sehr zu Hause, weil das die erste Stadt war, in die ich auf eigene Faust gezogen bin. Berlin war eher Zufall. Ich war in Asien und Australien unterwegs gewesen und kam für ein Kunstprojekt und eine Hochzeit zurück nach Europa. Nach der Hochzeit bin ich nach Berlin, um festzustellen, dass aus dem Kunstprojekt nichts wird. Ich bin trotzdem erst mal geblieben, 14 Monate. Genau wie David Bowie…

MSM: Apropos Kunst: So als Lebensplan scheint das etwas vielversprechender zu sein als Skateboarding. Siehst du das auch so? Spielte das eine Rolle bei deinen Entscheidungen?

Louisa: Skateboarding, Kunst und Musik – für mich eine Einheit. Gitarre habe ich mit elf angefangen. Mit einigen Skater*innen habe ich auch Musik gemacht. Was das Skaten angeht: Ich wollte eigentlich nie Pro werden. Ich habe mein erstes Pro-Model abgelehnt, aber mein Sponsor hat es trotzdem gemacht. So wurde ich die erste Frau mit Pro- Model in Europa, ich bin dankbar dafür. Damals wollte ich nur skaten, Party machen, reisen. Weil es so wenige Frauen im Skateboarding gab, dachte ich irgendwie, kein Pro-Model zu verdienen. Ich konnte mich da schwer verorten. Mit dem Geld, das ich bei einem Contest gewonnen hatte, hab ich mir eine Digitalkamera gekauft, damals eine brandneue Sache. Zuerst habe ich viel auf Partys fotografiert, daher der Spitzname „Party Girl“, der kam ja übrigens von dir, oder? Ich hatte die Webseite partygirlproductions.tk und habe dort für fünf Jahre meine betrunkenen Abenteuer geteilt, ich mochte das. Dann habe ich eine analoge Kamera gekauft und noch mehr fotografiert. Mit der Wirtschaftskrise 2009 wurden die meisten Budgets für Frauen-Skateboarding gestrichen, sodass ich da ein bisschen raus war. Ich wurde aber an einer Kunstschule angenommen. Das hat mein Leben verändert – seltsames Gefühl, wie eine Entziehungs- kur vom Pro-Skateboarding. Aber ich mochte die Kunst und sie erweitert meinen Horizont. Ich bin glücklich, all diese Dinge gefunden zu haben.

Der beste Weg, Dinge zu lernen: einfach versuchen!

Boneless – Foto: Andonesia
HIM, Acryl auf Papier, 21 cm x 28 cm, 2021
TWOTHOUSANDTWENTY, Wasserfarben auf Papier, 21 cm x 29,5 cm, 2020

Wir können die anderen nicht kontrollieren, wir können nur versuchen, an uns selbst zu arbeiten

MSM: Die Skateboard-Szene behauptet gern von sich, superoffen und tolerant zu sein, aber Social Media zeigt oft ein anderes Bild. Sexistische, homophobe, frauenfeindliche Kommentare findet man fast unter jedem Posting von oder über schwule oder Trans-Skater*innen. Es gibt noch immer viele patriarchale Überbleibsel aus dem letzten Jahrhundert im Skateboarding. Du gehörtest zu den Ersten, die das ganz nonchalant durchbrochen haben – wie siehst du den Zustand der Szene? Wohin entwickelt sie sich?Wir hatten einmal über „männergemachtes Frauen-Skateboarding“ gesprochen…

Louisa: Ich denke, das ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Es funktioniert wie ein Spiegel. Was wir sehen, ist eine Projektion unserer selbst, das kann sehr schmerzvoll sein. Es ist ja nicht leicht, sich selbst genau im Spiegel anzuschauen. Sexismus und Rassismus waren schon lange und sind noch immer empfindliche Themen. Es gibt da viele Missverständnisse, weil es Leuten, die selbst nicht damit umgehen müssen, schwerfällt, das zu verstehen. Diese Leute verhalten sich dann manchmal ignorant
oder eingeschüchtert oder umschiffen das Thema. Viel- leicht gibt es generell zu wenig Mitgefühl, Kommunikation und gegenseitige Aufklärung zwischen den Menschen… Was ich wohl sagen will: Wir können schlecht andere Leute kontrollieren, aber wir können an uns selbst arbeiten.

Kicklflip – Foto: Andonesia

Ich bin froh, dass sich die Gesellschaft wandelt und sich die Leute selbstbewusster ausdrücken, als Menschen wie als Skateboarder*innen. Social Media hilft auch dabei, viele Menschen im guten Sinne zu erreichen. Solange wir tun, was wir lieben, werden wir unsere Köpfe und Herzen öffnen und andere dazu inspirieren, das auch zu tun.

MSM:Wie können wir dir helfen, die Welt zu retten?

Louisa: [lacht] Liebt euch selbst und versucht, immer offen und freundlich zu sein!

 

Instagram: @louisaamenke

Interview: David Luther

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