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DIY – Fauna DIY

Der Bau des FAUNA DIYs begann im November 2017. Im Februar 2021 wurde er abgerissen. Ein kleiner Einblick in seine Geschichte und in all das, was er angestoßen hat. 

Unter einer Brücke, versteckt hinter wilden Sträuchern und Büschen, gab es einen Ort direkt neben einem Kanal. Weitestgehend geschützt vor Sonne, Regen und Schnee, entstand hier ein Raum, an dessen Entwicklung unzählige Menschen beteiligt waren und Teil dessen wurden.

Tom Marth – Fs Ollie / Foto: Moritz Freimuth

Als im März 2019 die Bauarbeiten der zweiten Rampe unter der Brücke der Wilhelmsburger Reichsstraße am Ernst-August-Kanal anfingen und einem der Regen ins Gesicht peitschte, war die gröbste Arbeit eigentlich schon getan.

Bereits Ende 2017 wurde von unseren Vorgängern Säckeweise Müll, Schutt, Autoteile und weit Unappetitliches von der brachliegenden Grünfläche entfernt, die erste Rampe gebaut und das Ganze bei unbarmherzigen, norddeutschen Wetterverhältnissen. Im Frühling 2018, nach weiteren Aufräumaktionen, kam dann die Überraschung – ein Zettel an der Rampe lud ein, sich bei einem städtischen Offiziellen zu melden, der das Potential der professionellen Bauweise der Rampe erkannt hatte. Einem Anruf folgte ein Treffen aus dem sich ein Deal entwickelte. Im Rahmen einer Grünpatenschaft konnte der Ort offiziell weiter genutzt und vor allem weitergebaut werden. Doch wie das Leben so spielt – Irgendwann war es an der Zeit den Ort, die Arbeit und die Verantwortung an eine neue, begeisterte Gruppe weiterzugeben.

Bau der 2ten Section unter der Brücke

Crew meeting an der Feuertonne

Und hier waren nun wir – eine Gruppe Gleichgesinnter, die unter dem Namen „Viva con Crete“ schon bald diesen abgelegenen Ort FAUNA DIY tauften und zu dessen Erhalt einen Verein gründen wollten. Im Kurzen und Ganzen ist genau das passiert. Nur leider nicht so einfach getan wie gesagt. Parallel zur Entwicklung des Ortes wollten wir ihn sichern und bereiteten die Gründung des „Vereins für Skateboardkultur e.V.“ vor.

Die meisten von uns waren einfach begeistert etwas Eigenes in der Stadt zu bauen, das für eine Weile bestand haben sollte. Damals wusste nur eine Hand voll Menschen von der Magie, die solchen Projekten innewohnt. Inzwischen haben wir alle erfahren, was diese Arbeit, geteilte Momente und vor allem das gemeinsame Erschaffen bedeutet. Wir sind zusammengewachsen – als Freunde:innen und Crew. Wir alle sind auf vielfältige Weise über uns selbst hinausgewachsen – von der Fähigkeit Beton anzumischen und zu Shapen, eine Organisation zu gründen, viele neue Tricks auf frischem Terrain zu stehen, Partys zu Spendenaktionen für mehr Beton zu managen oder aber auch darin riesen Feuer zu handeln.

Camdon Davis – FS Air / Benny Voges SW FS Ollie / Foto: Moritz Freimuth

Nach der Erweiterung der Rampe unter der Brücke war sich die Crew einig etwas Entspannteres zu bauen. So brachte der Sommer 2019 eine hölzerne Minirampe pünktlich zur ersten langen, lauen Nacht. Dann begann das Buddeln – ein Hoch auf unsere Shovel Sisters!!!! – bevor der Beton für den ersten Teil des Bowls zu fließen begann. Ein wundervoller Sommer, mit einigen Grill- und Betonsessions, Freunden die Hamburg besuchen und mit anpacken. Und kurz bevor der nasse Winter Hamburg erreichte, betonierten wir das Flat – endlich war Part 1 des Bowls skatebar.

Aufnahme von der Brücke – Bowl

Parallel zu unzähligen Tagen am Spot traf sich der harte Kern zu Stammtischen in der Kneipe – zu Bier und auch, um den Verein zu gründen. Wer hätte gedacht, dass es ein halbes Jahr telefonischen Diskurs mit dem Finanzamt benötigte, damit Skateboarden als Kultur gemeinnützig anerkannt werden konnte. Kaum jemand hat dran geglaubt, dass wir es schaffen würden – tja. Here we are: Einer der ersten Kulturvereine (oder vielleicht sogar DER erste?!), der Skateboarden, also eine Subkultur, als gemeinnützig anerkannt bekommen hat. Bam!!! Das ist schon was… Kultur ist laut konservativ rostiger, deutscher Bürokratie eben immer noch nur Öl auf Leinwand oder Noten auf einem Blatt. Skateboarden ist nur ein Hobby, wie Kegeln. Wir hätten auch faul einen Kegelverein gründen können, obwohl Golf ja eher was für uns wär… Aber hey, ein Hoch auf gesetzliche Schlupflöcher!

Anfang 2020 war es endlich soweit. Doch mit der Freude der Gründung kam überraschend und sehr plötzlich Post von der Stadt. Zu Ende Mai wurde uns die Grünpatenschaft gekündigt – Jahre früher als erwartet. Diese Nachricht setzte eine enorme Energie frei und wir beendeten den Bowl innerhalb von 3 Wochen im Mai. Gleichzeitig telefonierten wir mit den Zuständigen des Bezirksamtes, diskutierten über Wochen eine Verlängerung der Patenschaft und bekamen sie schließlich – bis Ende Oktober. Ein weiterer Sommer voller guter Zeiten stand uns bevor und der fertige Bowl machte die Mühen wert.

Für einige von uns war eine temporäre Verlängerung jedoch nicht genug. Wir begannen ein ganzes Raumkonzept zu schreiben, in dem wir die Integrierung unserer Projektfläche in den Bebauungsplan aufzeigten. Trotz Corona regulierten wir den Sommer – Soli-Kiosk-Tage, BBQs, Sessions und eine Kunstausstellungen, die die Entwicklung des Ortes dokumentierte, generierten nicht nur Spenden sondern mehr und mehr Aufmerksamkeit für den FAUNA DIY und seinen Stellenwert in der Nachbarschaft, Politik, Presse und Stadtgesellschaft. Dank des Vereins standen wir als juristische Person stark vor unseren Kommunikationspartnern. Trotz allgemeiner Begeisterung und zugesicherter Unterstützung von Seiten der Parteien und einzelner Personen innerhalb der Stadt, blieben unsere Ideen leider nur Druckerschwärze auf Papier. Schnell mussten wir erneut lernen, dass freundliche Unterstützung, wie ehrlich und verständnisvoll auch immer, nichts gegen kapitalistische Interessen und die Angst der Stadt vor Verantwortung und Geldverlust bedeutet.

Linus Lonnemann – FS Rock / Foto: Moritz Freimuth

Trotz Ablehnung unseres Konzepts holten wir alles raus aus der Zeit vor der endgültigen Räumung des FAUNA DIYs Ende Oktober 2020. Eine letzte Session, ein letztes Feuer und ein letztes Bier haben wir immer noch getrunken, gelöscht und gestartet.

Wir machten die Nächte zum Tag – Shout-Out an unsere Belgischen Freunde, die als unsere Akkustrahler aufgaben, ihre Autoscheinwerfer auf die Rampen richteten!! – Shout-Out an Total Eclipse of the Heart zu dem nicht nur Linus’ Tresen mehr als einmal brannte – Shout-Out an alle, die diese Nächte einzigartig machten.

Fauna in den Abendstunden / Foto: Joern Pollex

Als an einem eisigen, verschneitem Morgen im Februar 2021 ein einziger Bagger unsere Rampen zusammen schob als wären sie Pergamentpapier und danach den Bowl zerschlug, fühlte es sich an, als wenn man endlich, nach langem rumnästeln, ein Pflaster abreißen würde. Es war ein unwirkliches Bild – in 3 Stunden war die Arbeit von 3 Jahren weggeschaufelt. Es war traurig und befreiend zugleich. Wir alle wussten der Moment würde kommen – wir alle haben dagegen angearbeitet und ab irgendeinem Moment ihn gar nicht mehr abwarten können.

Doch statt einer trägen Lethargie überkam viele von uns neuer Mut. All die Energie, die sich auf den Erhalt des FAUNA DIYs konzentriert hatte, floss nun in neue Projekte und Ideen.

Matze – Wallie FS Grab

Man kennt uns nun, doch auf die Versprechen von Seiten der Stadt uns eine Ausweichfläche mit den gleichen Qualitäten zur Verfügung zu stellen, folgte bislang nichts. Also machen wir uns selbst auf die Suche – nicht, dass wir je damit aufgehört hätten – und finden mehr und mehr andere Wege und Kooperationspartner, um Skateboarden, dessen Kultur und ihre Qualität in der Stadt sichtbar zu machen.

Und dank eines Slappycurb-Workshops an einem warmen Samstag im September 2020, damals am guten, alten FAUNA DIY, während dem ganz coronakonform in mehreren kleinen Gruppen 7 Slappycurbs entstanden, ergab sich direkt eine Gelegenheit. Eigentlich sollten sie schon längst an unterschiedlichen Spots in Hamburg verteilt worden sein, aber egal. Denn dank ihnen, konnten wir an einem der ersten warmen Tage, Anfang April 2021, eine spontane, unglaublich wiederbelebende Session auf dem Hamburger Heiligengrindfeld starten. Es war, als sei die gute Energie des FAUNA DIYs in ihnen erhalten geblieben. Mit ihnen und einer extra für den Tag gebauten Quarter war es, als würde diese Energie wieder freigelassen. Wir tankten unsere leergelaufenen Akkus auf, erlebten das gemeinsame Miteinander wie am FAUNA und erfuhren wieder einmal die Offenheit und den Geist des Willkommens, den Skateboarden und DIY mit sich bringt. Nach nur wenigen Stunden waren wir nicht länger alleine – Skatende aus ganz Hamburg fanden sich auf dem großen Feld ein und erlebten, feierten und genossen gemeinsam die ersten, nährenden Sonnenstrahlen des Jahres. Und wir – wir konnten endlich (also wirklich endlich!) mal wieder erfahren, warum wir unsere Arbeit tun – um Momente, Orte, Möglichkeiten zu schaffen, die Menschen berühren und an das erinnern was wirklich wichtig ist – gemeinsam und selbstbestimmt das zu tun, was uns glücklich macht.

Text: Julia Reusing

Skater: Tom Marth @el666duderino, Benny Voges @bennyvoges, Camdon Davis @lokstedterwuerzwunder, Linus Lonnemann, Matze Heynemeier @systematze

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