Das Eric Koston Interview aus unserer Ausgabe #315 gibt es hier nun ungekürzt und in voller Länge.
[Interview: Niklas Isenberg; Fotos: Oliver Klobes]
Vom uncoolen Skatenerd in der Auffahrt von Eddy Elguero, zum Vorzeigeidol dreier Skateboard-Generationen hat sich Eric Koston am Abend seiner aktiven Karriere zu einer Marketingfigur entwickelt, die mit all ihrer Streetcredibilty, dem Style und der unglaublichen Professionalität immer noch so präsent ist, wie Eric zu seiner besten Zeit. Aber wann war eigentlich Kostons beste Zeit? War das die Zeit um Mouse? Die Zeit um Menikmati? Die Zeit um Yeah Right!? Oder die Zeit um Fully Flared? Eric Koston hat während seiner gesamten Karriere letzte Parts gefüllt und Maßstäbe gesetzt – Und genau aus diesem Grund kann er machen was er will, ohne dass ihm jemals eine seiner Errungenschaften aberkannt werden wird. Auf seiner Skullcandy Tour durch Europa, haben wir ihn in Paris getroffen um über seinen Wechsel zu Nike, The Berrics und Scientology zu sprechen.
Hi Eric, ich hab’ gelesen, Carroll hätte gesagt „Skater sollten keine Manager haben“, also solltest du deinen kündigen. Bist du jetzt noch mehr beschäftigt?
Echt? Ne, ich hab meinen Manager schon vor Jahren verloren. Jetzt gerade könnte ich aber einen gebrauchen. Einen Zeit-Manager…
Damit du mehr Zeit für Familie und zum Skaten hast ohne belagert zu werden?
Naja, ich hab einen eigenen Skatepark, also ist das nicht allzu schwer ’ne private Session zu haben. Und Guy (Mariano), Marc (Johnson) und Anthony (van Engelen) haben auch einen. Da fahre ich auch oft mit Guy und Biebel. Zwei Tage bevor ich auf diesen Trip hier gegangen bin, waren wir noch skaten. Ohne Kamera, höchstens Instagram oder so was. Außerhalb ist es wegen der Deadline echt schwierig, weil alle denken, wir würden was krasses machen. In L.A. gibt es bei mir in der Nähe ein paar gute Parks. Da gehen wir manchmal hin, bevor die Schule aus ist.
Und wie bringst du die Familie mit dem Skaten und anderen Verpflichtungen unter einen Hut?
Ich versuche das alles so einfach wie möglich zu verbinden. Meine Familie ist mit auf dem Trip. Meine Frau, meine dreijährige Tochter, mein einjähriger Sohn und die Nanny. Wir waren neun Tage in New York, dann acht Tage in Mailand, zweieinhalb Wochen in Barcelona, dann Kopenhagen und jetzt Paris. Das war alles verdammt hektisch, aber Barcelona war echt gut. Das war, als würden wir da wohnen. Wir hatten ein Appartment, ich konnte skaten und abends nach Hause und den Abend mit der Familie verbringen, ab und zu frei nehmen und zum Strand und so was.
Gestern ist die dritte Folge deines Epicly Later’d rausgekommen. Bist du zufrieden wie es geworden ist?
Also ich hab’ nur die erste Folge gesehen. Sie wurden mir kurz bevor ich nach Europa bin zugeschickt, aber ich war einfach zu busy, deswegen konnte ich auch nichts dazu sagen. Wenn ich was doof gefunden hätte, hätten sie das geändert, aber ich war zu beschäftigt seitdem ich hier bin.
Bereust du es, einen so tiefen Blick in dein Privatleben gewährt zu haben? Sie haben ja schon recht tief gebuddelt.
Nein, eigentlich nicht. Ich denke, wenn man so lange dabei ist wie ich, muss man tief buddeln, damit es interessant ist. Sonst kann man es wahrscheinlich gleich bleiben lassen.
Eddy (Elguera) erzählt, du hättest die Schule früh geschmissen, um dich auf Skateboarding zu konzentrieren und wärst dann recht schnell ins H-Street Haus gezogen, mit 16 oder so. Wie haben deine Eltern damals reagiert?
Die fanden natürlich nicht gut, dass ich die Schule geschmissen hab. Zu der Zeit war die Beziehung zu meinem Stiefvater auch nicht die beste. Ich wollte nur skaten, war schlecht in der Schule und er wollte mich nicht skaten lassen deswegen. Ich war aber eher mit einer „Fuck That“ Einstellung unterwegs. Ich war jetzt nicht total rebellisch und meinte „Fuck you, Dad“, aber ich wurde gerade frisch gesponsert und habe mich durchgesetzt.
Und jetzt kommt ihr besser klar?
Auf jeden Fall! Ich hab’ das damals natürlich nicht perfekt gehandlet. Man ist jünger und naja… kommuniziert nicht immer gut. Aber als ich dann eine Karriere aus dem Skaten gemacht hab, verstanden meine Eltern mich auch. Es war auch mein Fehler, dass wir nicht richtig miteinander geredet haben. Ich habe ja auch Kinder, und wenn ich mir vorstelle, dass sie so drauf wären, würde ich mir wünschen, dass sie mehr reden! Ich hab die Schule gehasst. Ich hab die Stadt gehasst in der ich gelebt hab. Die Leute von meiner Schule waren scheiße. Es gab nur drei Skater, alle haben aufgehört und einige meiner Freunde sind in Richtung Drogen abgerutscht. Das einzige was ich wollte war skaten und ich wollte alles machen wo mich Skateboarding hinführt!
Ich hab die Schule gehasst. Ich hab die Stadt gehasst in der ich gelebt hab. Die Leute von meiner Schule waren scheiße.
Du hattest Probleme mit deinem Stiefvater – Ist dein echter Vater also in Thailand geblieben?
Nein, der ist Amerikaner. Er hat aber in San Diego gelebt.
Hatte er viel Einfluss auf dich?
Nein. Ich glaube, ich habe nicht mehr mit ihm geredet seitdem ich 14 bin. Meine Eltern haben sich scheiden lassen als ich ungefähr vier war. Ich hab’ ihn danach eine Zeit lang oft besucht, aber irgendwann brach der Kontakt ab, denn er fing an zu trinken und wurde ein wirklich starker Alkoholiker und dann ist er irgendwann aus meinem Leben verschwunden.
Deine Perfomance in Videos hatte auch immer etwas Schauspielerisches – bewusst oder unbewusst. Hast du dir schon mal überlegt in einem von Spikes Filmen mitzuspielen?
Nicht wirklich. Aber ich hab mal diese schlechte TV-Show gemacht…
Wie heißt die denn?
Die hieß „Sk8“ und lief Samstags Vormittag, direkt nach den Cartoons und handelte von diesem Kid Josh und seinen Freunden. Muska hat eine Folge gemacht, Danny Way, McCrank… McCrank ist echt gut. Die Gast-Pros mussten immer nur Einzeiler sprechen und zum Schluss gab es immer eine Moral von der Geschichte. Muska hat dann so was gesagt wie: „Yeah Josh, that was sick man“. Und ich musste dann sechs Seiten Dialog auswendig lernen und nach Vancouver fliegen, um da zu drehen und das war schrecklich. Also ich weiß nicht, ob ich einen Film handlen könnte.
War es eigentlich eine schwere Entscheidung, den Schritt zu machen und zu Nike zu wechseln?
Nein, am Ende nicht mehr.
Hast du vorher lange drüber nachgedacht?
Ja, ich habe länger überlegt, aber nachdem ich mehr über Nike gelernt und verschiedene Leute getroffen habe, viel es mir leichter. Als ich Lakai verließ, hatte ich keinen Sponsor. Ich hab’ die Möglichkeit genutzt, um zu sehen wie andere Firmen arbeiten und hab mir das beste Angebot zeigen lassen. Ich habe mich auch mit Vans und Leuten bei adidas getroffen. Nike SB hatte natürlich Riesenpotenzial, das hat man gesehen und der Lernprozess auf meiner Seite machte es relativ leicht.
Hattest du ein schlechtes Gewissen, als du Lakai gequittet hast?
Ja, absolut! Das sind meine Freunde und es war eine lange Geschichte und weil ich Mitinhaber gewesen bin, war es umso härter, Rick (Howard) und Mike (Carroll) davon zu erzählen!
Schlechtes Gewissen wegen Lakai oder weil Nike keine Core-Marke ist?
Nike war nicht der Grund für mich Lakai zu verlassen. Ich wusste nicht wo es mich hinführt, als ich Lakai verließ. Ich war einfach in einer Situation, in der ich eine Entscheidung treffen musste.
Nike war nicht der Grund für mich Lakai zu verlassen.
Warum wolltest du denn wechseln?
Die Dinge liefen nicht so richtig.
Mit Rick und Mike?
Nein, nein, wegen Podium [früher DVS und Lakai, Anm. der Red.].
Kannst du sagen was das Problem war?
Podium hat falsch gehandelt, besonders finanziell. Ich wusste ungefähr was ablief und hab Rick und Mike gesagt wie ich darüber denke und meinte wir müssen Lakai aus Podium rauskriegen. Wie können wir das machen? Aber das ist nicht wirklich passiert und ich sah da keine andere Option.
Haben sie es denn versucht?
Nachdem ich gegangen bin, haben sie es versucht. „Shit got weird“ und dann haben sie es durchgezogen. Ich habe einfach nicht gesehen, wie es weitergehen soll, wenn sich nichts verändert. Sie wussten offensichtlich nicht wie es mit DVS weitergehen soll. In Europa gab es einige Zeit ein kleines Insolvenz-Problem [Mittlerweile gibt es aber einen neuen Investor und die Firma ist neu strukturiert; Anm. d. Red.] und das habe ich kommen sehen. Deshalb musste ich eine persönliche Entscheidung treffen. Leider. Ich habe ihnen meinen Anteil zurückgegeben, das war nicht leicht.
Aber mit Rick und Mike ist alles cool?
Auf jeden Fall! Sie haben sich der Sache angenommen und müssen einige der Wunden schließen, die Podium zu verantworten hat. Es war schon scheiße… Ich meine, ich musste meine eigene Company verlassen, das ist ja schon komisch!
In London haben zwei Drittel der befragten Jugendlichen angegeben sie würden Olympia gucken, wenn Skateboard als Disziplin dabei wäre. Du kennst ja durch „The Berrics“ und „Streetleague“ sowohl die professionelle, von den großen Medien begleitete Facette von Skateboarding als auch die unkommerzielle Seite des Streetskatens durch deine Vergangenheit. Sollte Skaten olympisch sein?
Sollte es? Wahrscheinlich schon, wenn man sich die ganzen anderen sinnlosen Sportarten anschaut, die olympisch sind. Ich meine Skateboarding hat schon soviel erlebt und wir haben eine Industrie geschaffen, die ziemlich groß ist. Auf diesem Level betrachtet, könnte Skateboarding schon olympisch sein und, weltweit beachtet, noch mal anders wahrgenommen werden. Es wäre definitiv berechtigt dazu, aber auf der anderen Seite müsste ein Verein gegründet werden, das ist eigentlich viel zu politisch, da sind dann Leute involviert, bei denen ich nicht dahinterstehe, wenn die Skateboarding repräsentieren sollen. Ich glaube da gibt es oder gab es sogar so eine „Skateboard Association“, die das versucht hat.
Ich denke Skateboarding bietet genug Raum für die, die es als reine Subkultur sehen und Leute, die es überwiegend als Leistungssport betrachten.
Ja, so ist es. Es wird Leute geben, die sich von so was angesprochen fühlen und wenn genug Leute dafür sind und diejenigen ausreichen, um so etwas zu ermöglichen… Ich denke nicht, dass uns das wehtun würde.
Würdest du denn teilnehmen, wenn du jünger wärst?
Das kommt darauf an, wie das abläuft, wahrscheinlich aber eher nicht [lacht]. Wenn es coole Runs wären und es nach Spaß aussehen würde vielleicht, aber es wirkt wie ’ne scheiß Show. Die X-Games waren jedenfalls echt scheiße. Die ganze Atmosphäre, das war einfach viel zu viel mit den ganzen Armbändchen, Securities und riesigen Stufensets. Ich gehe kein Verletzungsrisiko ein, nur damit ich bei den X-Games dabei sein kann. Torey (Pudwill) und (Ryan) Sheckler haben sich an dem Stufenset ihre Knöchel kaputt gehauen! Contest sollten eher Spaß machen, wie z.B. „Kopenhagen Pro“.
Die X-Games waren jedenfalls echt scheiße.
Kannst du uns erzählen von wem das Konzept „The Berrics“ stammt?
Eigentlich war es nur so, dass Steve und ich, als wir gesehen haben was in unserem Park alles abgeht, dachten: „Das muss man filmen!“. Davor war das eigentlich ein privater Park, aber als es einen Tag nur am regnen war, kamen wirklich viele bekannte Leute und Ty Evans hat alle beim skaten gefilmt, das zusammengeschnitten und es hochgeladen, als er den ganzen „Skatefairy“ Stuff für Crailtap gemacht hat.
Und jetzt ist „The Berrics“ eine riesige Plattform…
Ja, das ist ständig gewachsen.
Wer hatte denn jetzt die Idee für das Konzept?
Wir beide. Viele verschiedene Typen hingen bei uns rum. Auch viele bei denen man nicht denken würde, dass die zusammen abhängen und wir beide dachten es wäre cool, wenn die Kids das sehen könnten. Wir haben gehofft, dass die ganzen Companies uns helfen, es zu vermarkten, um den Park zu finanzieren. Und dann ist es durchgehend gewachsen und während dieses Prozesses merkten wir, dass das ganze Filmen und die Website sehr viel Geld und Zeit kostet.
Aber jetzt zahlt es sich doch aus, oder?
Es erhält sich selbst. Wir sind in der Lage die Mitarbeiter zu bezahlen und das sind mittlerweile immerhin 24. Das ist total verrückt wie schnell das Ganze gewachsen ist! Und offensichtlich gab es eine Nachfrage. Außerdem wollten wir die Persönlichkeiten der Typen zeigen und Leuten, die zum Beispiel für einen Videopart filmen und von denen man drei Jahre lang nichts sieht, eine Möglichkeit geben, präsent zu bleiben.
Letzte Frage: Was denkst du über Scientology?
Ich weiß nicht… Ich denke es spielt keine Rolle auf was auch immer jemand seinen Glauben projiziert oder an was auch immer eine Person glaubt. Wenn es für diejenige Person funktioniert, sollte man die Person so leben lassen! Was auch immer Gott oder sonst wer ist, mir ist das relativ egal!
Aber siehst du keinen Unterschied zwischen, sagen wir mal, „normalen Religionen“ und Scientology?
Ich weiß nicht, ich nehme mir nicht die Zeit, mich darauf zu fokussieren und zu schauen ob es Unterschiede gibt. Ich weiß nicht ob man den Glauben einer Person hinterfragen sollte oder sagen sollte, „Hey, an was du glaubst, ist falsch!“.
Natürlich ist es schwer zu sagen „dein Glaube ist falsch“. Ich stelle die Frage, weil wir in Deutschland nicht viel von Scientology mitbekommen und wenn, dann meist nur negatives, z.B. von Aussteigern, die davon berichten wie sie finanziell ausgesaugt wurden.
Ich weiß, es wird meistens in der Luft zerrissen. Ich kenn’ mich da auch nicht so aus. Ich glaube es ist sehr simpel und grundlegend. Es behandelt Konzepte des gesunden Menschenverstandes. Einige haben den nicht und das ist der Grund warum einige dumme Entscheidungen treffen und Scheiße bauen. Bei anderen Religionen ist das ja ähnlich, nur dass viele der großen Religionen so altehrwürdig sind, dass es schwer ist sie kritisch auseinanderzupflücken.
Du denkst also nicht negativ über Scientology?
Nein, ich denke nicht negativ über Scientology, genauso wenig wie über irgendeine andere Religion. Natürlich kann man einem Glauben widersprechen, aber ich glaube, wenn man von sich selbst denkt, dass die eigene Meinung die richtige ist, ist das ziemlich arrogant. Wenn jemand wirklich an etwas glaubt, wie willst du denjenigen dazu bringen seine Meinung, seinen Glauben zu ändern? Das ist genau wie bei den verrückten Christen, die an der Ecke stehen und schreien, dass alle in der Hölle schmoren werden. Egal woran du glaubst, wenn es dich zu einer besseren Person macht: Daumen hoch!
Hast du schon einen Plan was du nach deiner aktiven Karriere machen möchtest?
Ich denke, ich werde weiterhin den Brands zur Seite stehen, bei denen ich involviert bin. The Berrics, Fourstar, Girl, Nike. Gerade Nike nimmt mich ganz schön hart ran. [lacht] Aber das ist auch gut so. Als ich das erste Mal bei Nike rein kam, habe ich gesagt, was sie meiner Meinung nach, in der Vergangenheit falsch gemacht haben und das sie trotzdem einen guten Skateschuh machen können. Die Classics sind nämlich super, Stefans ist großartig [Janoski, Anm. d. Red.], aber alles andere was rausgekommen ist, wenn sie einen innovativen Schuh konstruieren wollten, war schrecklich und ich habe erklärt, dass sie nicht immer irgendeinen verrückten Schuh basteln müssen. Denn früher waren die Schuhe eher ein Konzeptmodell als funktionell. Sie haben das sehr gut aufgenommen und meinten, „dann zeig mal was du kannst“.
Alles klar, dann weiterhin viel Spaß und Erfolg! Danke für das Interview.
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