Die Rollbrett Mission in Riegel ist nicht nur ein Skateshop: Sie ist Museum, Hangout und ein wichtiger Anker für die lokale Szene. Lest selbst, was Inhaber und Skaterat David Duijkers zu berichten hat.
Erzähl doch zu Beginn erst mal etwas über dich, bzw. deinen Skate/Businesshintergrund
Meine Mama ist Anfang der 80er Downhill gefahren und bei uns lagen immer diese kleinen Fiberglas-Boards rum. Die Faszination war also von Anfang an da. Aber so richtig los ging’s Anfang 1990: Ich war 12, habe meine ersten Ollies gemacht und mein erstes „richtiges“ Board bekommen – ein Vision Double Tail, das mir bis zum Bauchnabel ging. Dafür sind wir 120 Kilometer nach München gefahren, in den Skateshop an der Münchener Freiheit. Rails und zwei Tailbones habe ich mir direkt drangeschraubt! Seitdem begleitet mich Skateboarding ohne Pause.
Bis 1992 habe ich im tiefsten Niederbayern gelebt – und bin heute noch mit einigen Homies von damals in Kontakt. Diesen Sommer haben wir es endlich geschafft: eine epische Revival-Session! Nicht mehr an den Zweier-Stufen am Marktplatz, sondern im feinsten Betonskatepark, direkt neben meiner alten Grundschule in Wallersdorf. Damals unvorstellbar, was sich parktechnisch in Deutschland getan hat. Trotzdem geht da noch mehr – aber anderes Thema.
1993, mit 16, bin ich mit meinen Eltern nach Freiburg gezogen. Auf der deutschen Skate-Landkarte damals ein weißer Fleck, aber es gab eine kleine, feine Szene. Wir sind fast nur Street gefahren. Nach der Schule oder am Wochenende: Treffpunkt Karlsplatz, Spots abgrasen, zwischendurch im Stadtgarten chillen. Und natürlich jedes Jahr zum Münster Monster Mastership! Es gibt übrigens eine private Facebook-Gruppe, in der Leute Bilder und Stories der alten Masterships posten – bei Interesse einfach melden.
Der Freiburger Local Shop war „Braun’s Skate Connection“, geführt von Robert Braun (R.I.P.), ein echtes Original, das auch vor Kundenbeschimpfung nicht zurückschreckte. Ich erinnere mich an eine Szene: Seine Tochter krabbelt im Laden rum, während er sich schon wieder eine selbstgedrehte DRUM ansteckt. Eine Mutter, deren Sohn gerade Schuhe anprobiert, fragt ihn, ob er das nicht etwas ungesund für sein Kind findet, hier drinnen zu rauchen. Die wurde natürlich direkt angeschrien, was sie sich denn in seine Angelegenheiten mischt, und lauthals hinausgebeten. Mir hat Robert die Decks grundsätzlich für 100 DM verkauft – aber nur heimlich. Das Team wollte er immer „nächstes Jahr“ wiederbeleben, und ich wäre sein erster Kandidat. Aber das hat er zu vielen gesagt, glaube ich. Wenn man nur ein Griptape kaufen wollte, sollte man sich verpissen, weil man sich angeblich ein Deck im International gekauft hätte und die schon wieder kein Grip vorrätig hatten.
Vor zwei Jahren hat mir ein alter Freund ein 60-Minuten-Tape mit Footage geschickt, das ich völlig vergessen und nie gesehen hatte – wir 1996 an unseren Local Spots. Pures Gold. Geile Zeit war das.
Mein erster „Job“ im Skateboarding war 1998: eine Woche in Bochum bei der „xtra-Sport“ Skateboard-EM aufbauen helfen – beziehungsweise erstmal stundenlang die staubige Halle fegen. Mein guter Freund Klaus hatte zu der Zeit Praktikum bei der S.M.O. gemacht und mir das vermittelt. Unfassbar geil für mich damals! Mein erstes Tattoo wurde dort gestochen: die Screaming Hand, weil die auf dem Cover des ersten Skatevideos war, das ich gesehen habe. Alien Workshop Pros, die Demo gefahren sind, haben mit uns im Bus Bong geraucht, und ein unbekannter Finne namens Arto Saari hat das Contest-Wochenende dominiert.
Nach einem kurzen Abstecher zum versuchten Informatikstudium in Dresden 1998/99 – die Dresdner Szene war saucool, hat mich allerdings auch vom ernsthaften Studieren abgehalten – bin ich zurück nach Freiburg und habe ein paar Jahre im ersten dortigen Titus-Shop als Chef der Skate-Abteilung und Teammanager gearbeitet. In der Zeit ging es dann ernsthaft los mit Fotos machen, Filmen, auf Events fahren, Berichte schreiben und Internetseiten basteln – aber auch mit Vereinsgründung und Engagement für einen anständigen Skatepark. Das erste Freiburger Full-Length-Skatevideo, natürlich noch auf VHS, spiegelt die Szene der Zeit sehr gut wider: „Warten Bis Gott Kommt“ von Jander Voigt, damals 15 und heute beruflicher Filmemacher! Von Flo, der heute noch den Boardshop in Freiburg betreibt, habe ich in der Zeit vieles in Sachen Einzelhandel gelernt, auch wenn wir uns in der Ausrichtung oft nicht einig waren.
2004 bis 2008 habe ich auf selbständiger Basis Webseiten gebaut und war viel schreibend und fotografierend unterwegs – zum Beispiel für boardmag.com, skateboard.de und das leider kurzlebige „Brettsplitter“ mit Manuel von LeKoSch Skateboards.
2008 kam dann mein erstes Kind – und mein eigener kleiner Skateshop: die erste ROLLBRETT MISSION im Bahnhofsgebäude von Emmendingen bei Freiburg. Das ging bis 2013 mehr oder weniger gut. Dann dachte ich: Muss ja mal vernünftig werden, anständiger Job, Familie ernähren, feste Arbeitszeiten, ein bisschen Karriere machen … und habe als Online-Fuzzi für verschiedene Firmen in der Elektronikbranche gearbeitet. Dieses Büroleben hat für mich nicht funktioniert. Irgendwann während der Coronazeit kam die Vollkrise, private Probleme dazu, ich habe alles hingeworfen und konnte ein ganzes Jahr lang praktisch nichts tun – außer depressiv im Bett liegen. Glücklicherweise habe ich mich noch regelmäßig zum Skaten überwinden können. Danke, Skateboarding!
Die Locals haben mich immer wieder gedrängt, mal wieder T-Shirts oder Decks zu machen. Also habe ich mir etwas Geld geliehen und aus der Arbeitslosigkeit heraus wieder ganz klein von zuhause aus angefangen: Gewerbe angemeldet, Onlineshop aufgebaut und mit meinem zugestickerten Zafira die Skateparks abgeklappert und aus dem Kofferraum heraus den Stuff verkauft. Als meine Mini-Bude nur noch vollgestopft mit Kartons war, habe ich 2023 diese einmalige Location entdeckt – ein völlig heruntergekommener 60-m²-Lagerraum einer ehemaligen Weinkellerei. Perfekt. Aus dem Plan, erstmal nur die Ware auszulagern, wurde plötzlich ein richtiger Garagenshop inklusive Skateboard-Museum mit ca. 50 Boards seit den 60er Jahren, VCR am Beamer und einer fast kompletten 411VM Sammlung. Dazu über 1000 Skatemags und Bücher … Ich kann jedem Kulturliebhaber nur raten, mal hier vorbeizukommen.
Und das Beste: Der Raum befindet sich genau gegenüber meinem Local Skatepark. Ich sehe und höre es, wenn geskatet wird, kann jederzeit mein Board schnappen und rübergehen. Die Gesamtsituation ist im Prinzip ein manifestierter Traum. Letztes Jahr habe ich noch die ehemaligen Büroräume der Weinkellerei als Wohnung beziehen können. Eine zugige Bruchbude, aber mit genug Platz für mich, meine Kids, zwei Katzen, zahllose Boards an der Wand und sogar für ein Curb und eine Bank im Flur.
Shop with a view.
Wann und wie kam denn die Idee, die RollbretT mission zu eröffnen und wie kam es zu dem Namen?
Ein eigener Shop war schon immer eine Vision. Zur „ersten“ ROLLBRETT MISSION von 2008 bis 2013 kam ich eher zufällig. Das war direkt im Bahnhofsgebäude in Emmendingen, wo sich ein mäßig laufendes kleines „Skatefashion-Outlet“ befand, in dem es hauptsächlich Schuhe und Klamotten in Mustergrößen gab. Die Inhaber, Undine und Olaf, haben mich gefragt, ob ich den Laden übernehmen möchte – und meine Entscheidung hat genau eine Nacht gebraucht
Auf den Namen kam ich relativ schnell beim Brainstorming: angelehnt an die Bahnhofsmission und inspiriert durch meine damalige Domain www.rollbrettfahren.de, auf der ich viel gebloggt hatte. Das hat einfach sofort gepasst. Ein Skateshop ist für mich ein Ort zum Abhängen ohne Konsumzwang – ein Safe Space, wo man auch mal ein gebrauchtes Deck oder ein Kugellager für umme abstauben kann, wenn man gerade knapp ist.
Auch das Logo mit den gekreuzten Boards war von der Bahnhofsmission inspiriert und sollte durch seine Schlichtheit und das Schwarz-Weiß zeigen: Pures Skateboarding, klare Kante. Ich habe mir ein grobes Konzept überlegt, etwas Geld geliehen, den Laden komplett umgebaut – und das war dann schon eine geile Zeit. Hat eben nur nicht auf Dauer funktioniert.
Erzähl´ doch mal von ein paar Highlights, die dir über die Jahre im Gedächtnis geblieben sind.
Mein persönliches Highlight ist, dass ich entgegen den Ratschlägen bestimmter Personen und der Marktlage die MISSION 2022 wieder zum Leben erweckt habe – und Recht behalten habe damit, dass es noch einmal funktionieren kann. Damals kam ich aus einer Phase, in der ich psychisch und finanziell am Boden war, aber ich bin „all in“ gegangen. Der Laden läuft, ich bin jetzt viel glücklicher und die Kinder haben auch mehr von ihrem Papa, als wenn er seine Seele im Büro verkaufen würde.
In bleibender Erinnerung ist auf jeden Fall der „King of Heimatland“, eine King-of-the-Road-Challenge, deren Höhepunkt ein gemeinsames Tour-Wochenende am Bodensee war, mit über 20 Leuten aus den Teams der MISSION, Titus Freiburg und Boardshop Freiburg. Die Contests in Emmendingen waren auch immer geil … einer fiel auf den 11. September 2011, da haben wir für den Best-Trick-Contest einen Papp-Nachbau der World-Trade-Center-Türme hinter den Kicker gestellt. Derber Joke, aber es wurden schöne Tricks drüber gemacht.
Highlights im Alltag sind auf jeden Fall die persönlichen Begegnungen und das tolle Feedback. Leute, die in den Laden kommen – oder sich online bei mir melden – und mir mit leuchtenden Augen erzählen, dass ich ihnen damals ihr erstes Board verkauft habe. Skateboarder, die weit weg wohnen, aber schon mal online bestellt haben und auf dem Weg in den Urlaub Richtung Süden an der A5-Ausfahrt Riegel kurz rausfahren, um sich den Laden endlich mal anzugucken und direkt noch eine kleine Session mit mir zu fahren. Leute, die meine Videos auf Insta gesehen haben und dadurch motiviert wurden, nach 20 Jahren wieder aufs Brett zu steigen oder überhaupt mit Ü40 anfangen wollen zu skaten. Mega! Kids oder auch Erwachsene, denen ich Skatekurse gebe und die nach einer Stunde völlig gestoked sind, was sie alles neu gelernt haben.
Ich habe Bock, Skateboarding zu pushen und muss meine Leidenschaft dafür einfach teilen. Skaten hat mir so viel gegeben und geholfen in beschissenen Phasen. Ich fühle mich irgendwie verpflichtet, da etwas zurückzugeben. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Körper auch jetzt mit 48 Jahren noch Skateboard fahren kann. Low Impact und Low Risk zwar, aber ich habe in den letzten Wochen bestimmt zehn neue Tricks am Slappy Curb gelernt. Schnelldurchlauf 35 Jahre Skateboarding gibt es hier und den neuen „Ode an die Kurve“-Part.
Produkthighlights fallen mir natürlich auch ein! Als grafischen Evergreen mag ich den „Vitruvian“, die Kombination meiner gekreuzten Boards mit der berühmten Zeichnung von Leonardo da Vinci. Die harmonische Einheit von Mensch und ROLLBRETT – ist irgendwann nachts 2009 entstanden. Und das neue „Shop Spirit“-Design gefällt mir richtig gut, ein Wimmelbild meines Shops, umgesetzt vom großartigen @xdudeofdeath.
Aktuell kommt als Shopdeck der „Breite Bube“ sehr gut an, ein 10.5 Egg, das natürlich an Heroins Wide Boy angelehnt ist, aber mit einer etwas kürzeren Wheelbase und gepresst in Deutschland. Richtige Slappy- und Shove-It-Maschine! Ich fahre seit einem Jahr fast nur noch dieses Setup mit 215er Indys und es geht fast alles damit, was auf dem 8.5er auch klappt – du hast viel mehr Platz zum Landen. So cool, wie vielseitig die Shapes in Skateboarding geworden sind in den letzten Jahren, oder?
David und seine Ode an die Kurve
Dürrephasen gab es ja sicherlich auch…
Mein erster Laden war ehrlich gesagt eine Aneinanderreihung von Dürrephasen, und 2013 musste ich endgültig schließen, weil es einfach nicht gereicht hat, um über die Runden zu kommen. Die Entscheidung hat sehr wehgetan. Damals ging es mit Onlinegeschäft ja erst so richtig los, und ich hatte den Dreh leider noch nicht so gut raus, um mir damit ein zweites Standbein zu schaffen. Außerdem war aus privaten Gründen – Scheidung und sowas – die Energie bei mir raus, um das Ruder nochmal rumzureißen.
Seit dem Relaunch vor drei Jahren geht es langsam, aber stetig bergauf. Ich hatte keine wirkliche Dürrephase bisher. Das erste Jahr war praktisch gewinnfrei, auf Pump gelebt. Inzwischen ziehe ich es ohne jegliche staatliche Unterstützung durch. Ein finanzielles Polster für schlechte Zeiten oder unvorhergesehene Investitionen ist allerdings nicht wirklich vorhanden, also muss auch stetig was reinkommen. Daher: Danke für jeden noch so kleinen Einkauf!
Erzähl´ uns mal etwas über das aktuelle ShopTeam.
Die MISSION hat keine Teamfahrer, sie hat MISSIONARE 😉 Vor allem will ich gute Menschen im Team, die Skateboarding lieben und leben – und bei denen du beim Zusehen schon Bock auf Skaten bekommst. Bisher halte ich das regional, auch wenn Anfragen aus ganz Deutschland reinkommen. Es war aber auch bisher immer so, dass ich selbst auf die Person zugekommen bin, ob sie Lust hat, für die MISSION zu repräsentieren.
Als kleiner Shop in der Aufbauphase ist das Budget halt nicht so riesig, also ist das eher ein Rabattsponsoring. Sie bekommen bisher Shirts und ab und zu ein Deck und einen Hoodie for free. Einzelne Clips von allen sieht man immer auf unserem Instagram: www.instagram.com/rollbrettmission, aber ein richtiges Full Length im Querformat mit gescheiter Premiere auf unserer Shopleinwand wird auch kommen. Hoffentlich. Irgendwann.
Der krasseste Typ im Team – und nach mir selbst der Älteste – ist zweifelsohne Philipp Frieda, ein Skate-Tier aus dem tiefen Schwarzwald, echte lebende Legende und definitiv einen Follow auf Instagram wert. 100 % SLAYER. Bleib gesund, Philipp!
Unsere Jüngste, Marlena Waldenbuch, ist super talentiert und dank ihrer engagierten Eltern viel auf Events in ganz Deutschland und der Schweiz unterwegs – echt cooles Mädel.
Basti Bechtold aus Karlsruhe ist dieses Jahr neu dazugekommen. Der Mann fährt so clean, einfach schön anzusehen, reisefreudig ist er auch und produziert entsprechend tolle Bilder und Clips.
Michi Bähr war in der „alten“ MISSION bereits Teamfahrer und gibt jetzt Ü30 nochmal so richtig Gas mit seinem leichtfüßigen, kraftvollen Style. Hat definitiv die meisten Fahrradkilometer im Team und das breiteste Grinsen beim Fahren.
Yair, auch aus Freiburg, unser ATV, der auch Madonnas im Deep End ballert und einfach ein super freundlicher, geistig wacher und engagierter Kollege mit weitem Horizont ist.
Robin Fleig aus Emmendingen hat sich als Kiddie sein erstes Board kurz vor der Schließung des alten Shops geholt und schmeißt jetzt machtvolle 360-Flips überall raus im Namen der MISSION … so schließt sich der Kreis.
Ronny ist gerade ziemlich mit seinen Kleinkindern beschäftigt, aber auch ein 100 % Lifer auf dem Brett. Der musste alleine deshalb direkt ins Team, weil er mich maßgeblich dazu gepusht hat, es wieder durchzuziehen.
Das sind die Offiziellen, aber ihr wisst, wie es ist: Als loyaler Ripper, der auf die Kohle achten muss, bekommt man seinen Stuff bei mir immer ein bisschen günstiger.
Ich möchte hier gerne noch das Skatepark-Projekt in Namibia erwähnen, das die MISSION regelmäßig unterstützt. Wir sammeln hier gut erhaltenen Stuff und Geld für Porto. Die Kids dort sind on fire.
Schaut mal auf www.instagram.com/oniipaskatepark vorbei und spendet gerne einen Fünfer in deren GoFundMe für die Parkerweiterung.
Die Rollbrettmission
Online vs. Einzelhandel
Online bestimmt uns in allen Lebensbereichen so krass inzwischen, da hole ich gerne ein wenig weiter aus. Sehr traurig, dass viele unabhängige Shops das Zeitliche segnen mussten in den letzten Jahren. Selbst in größeren Städten gibt es oft gar keinen echten Skateshop mehr, und das macht schon einen Unterschied für den Drive in der lokalen Szene. Team, Contests, Videopremieren und Partys, Druck auf die Stadt wegen Skatepark – im Shop laufen die Fäden klassischerweise zusammen, wenn es keinen Verein gibt.
Die Realität ist nun mal, dass sich das Einkaufsverhalten bei vielen Skatern aller Generationen geändert hat und damit einhergehend auch die Loyalität zum Local Shop, soweit überhaupt einer da ist.
Es ist bequem, sich alles einfach nach Hause oder an die Packstation liefern zu lassen. Und da der durchschnittliche Skateboarder meistens sehr preisbewusst a.k.a. pleite ist, wird gerne online nach Schnäppchen geschaut und die Indy Trucks eben dort bestellt, wo sie gerade einen Fünfer günstiger sind.
Die drei großen Online-Player machen dauerhaft Rabattschlachten und leisten es sich trotzdem, gratis Hin- und Rückversand anzubieten – wenn jemand etwas zurückgibt, hast du halt direkt 15 € Verlust für nichts. Viele Kunden haben sich daran gewöhnt, Dinge einfach hin- und herschicken zu können, und machen sich keinen Kopf darüber, was das für den Händler heißt, gerade bei den bescheidenen Margen in unserer Branche. Das ist z. B. ein Grund dafür, warum ich kaum Schuhe und „Fashion“ im Sortiment habe, sondern fast nur Hardware. Da sind die Rücksendequoten überschaubar. Aber logisch: Wenn mal etwas doch nicht gefällt oder passt, wird nicht lange diskutiert.
Die MISSION ist immer gut zu dir! Ich will jetzt auf keinen Fall verallgemeinernd klingen und schlecht über Kunden reden. Ich liebe euch alle! Zum Glück gibt es gerade unter waschechten Skateboardern ganz viele Menschen, die bewusst lokal und unabhängig unterstützen wollen und an vielen Fronten etwas für die Szene tun. Shoutout an alle DIY-Freaks da draußen, an ehrenamtliche Skateprojekte, Vereine und alle, die irgendeinen geilen Scheiß mit Skateboarding machen – Kunst, Videos … Wer einfach nur irgendein Board kaufen will, kein Interesse an dem ganzen Skateboardkosmos drumherum hat und dabei passionierter Preisvergleicher ist, ist eben nicht die Kernzielgruppe von Läden wie der MISSION, sondern landet irgendwo anders. Aber wenn dieser Kunde doch zufällig bei mir kauft, kriegt er vielleicht dadurch den Blick darauf, wie großartig dieses ganze Skateboard-Dingens sein kann – egal wie gut man fährt –, weil es einfach eine geniale Ausdrucksform, Kunstform und Therapieform ist. Und am Ende habe ich vielleicht das Leben eines Menschen zum Positiven verändert – wie geil ist das denn?
Alt und neu
Fuck, ich liebe Skateboarding – hatte ich das schon erwähnt? Geil an der Online-Ära ist jedenfalls, dass man so viel mitkriegen kann, was weltweit alles an kreativem Skateboarding geht, aber auch in Nostalgie schwelgen, sich die Klassiker ansehen und mit anderen Nerds darüber austauschen kann.
Zu meinen favorisierten Seiten zählen z. B. Jenkem, nbd_archive, latte_alter und thrift_store_paintings. Oder dass du plötzlich mit einem Childhood Hero wie Alex Moul oder Kris Markovich chattest. What a time to be alive.
Die Printlandschaft vermisse ich aber schon ein wenig. Das Monster Magazin haben wir früher so verschlungen – wenn ich heute ein altes Heft durchblättere, habe ich oft direkt die Caption zum Bild im Kopf. Habe fast alle Ausgaben ab etwa Nummer 45 im Regal stehen!
Aber zurück zum Thema und den „True Skateboarders“, die eben auch die Möglichkeit dazu bekommen sollen, mit einem guten Gefühl online ihren Stuff erwerben zu können, weil es vor Ort nichts gibt. Da gibt es durchaus einige coole Shops hierzulande, die einen echt guten Job machen – und jeder auf seine eigene Art! Ich habe riesigen Respekt vor jedem Shopbetreiber, egal ob on- oder offline oder beides. Die meisten von ihnen haben im Gegensatz zu mir kleinem Licht auch noch Mitarbeiter, für die sie Verantwortung tragen, und reißen sich teils seit Jahrzehnten den Arsch auf für den Shop und die Szene.
Rein über den Preis kannst du als Kleiner sowieso nicht gewinnen, also muss man sich anders absetzen und ein eigenes Profil haben. Bei mir ist es neben dem Schwerpunkt auf guter Hardware wahrscheinlich das sehr Persönliche und diese fast religiöse Verehrung des Rollbretts. Ich versuche einfach, ich selbst zu sein, und behandle jeden Kunden, der online reinkommt, als würde er mich im Laden besuchen.
In Sachen Beratung und Produktanfragen geht bei mir viel über WhatsApp und Instagram Messenger. Ins Sortiment nehme ich nur Sachen, hinter denen ich auch stehen kann: Designs, die mir gefallen, breite und shaped Boards, limitierte Reissues für Sammler, kleine europäische Brands und ein paar Produkte, die die Großen eben nicht haben – wie z. B. der Upcycling-Stuff aus alten Decks. Aber auch Kids-Boards, die Sinn ergeben und nicht überteuert sind.
Wenn ich im Urlaub mal einen anderen Shop besuche, hole ich mir grundsätzlich ein Shopshirt als Support. Jeder Shop hat eben seinen eigenen Stil, seine eigene Geschichte. Das ist elementare Skatekultur für mich, und es wäre einfach nur schade, wenn sich die Entwicklung fortsetzen würde und irgendwann alle nur noch bei Amazon und Decathlon einkaufen könnten.
Reich wird wahrscheinlich keiner von uns im Skateboardhandel. Wir machen das, weil wir dafür brennen – und uns nicht für andere verbrennen wollen. Denn mit den ganzen Skills, die man als Chef so braucht, findet man immer irgendwo einen gut bezahlten Job. Aber das ist dann halt nicht das Eigene!
Ich sehe zum Glück nur selten, dass Shops sich untereinander das Leben schwer machen oder über den anderen hetzen. Habe einige Kollegen auch persönlich kennenlernen dürfen, und man hilft sich eher gegenseitig mal aus, wenn man irgendeine spezifische Frage hat oder ein Stammkunde z. B. genau dieses eine Deck will. Mir schwirren auch immer wieder Ideen durch den Kopf, wie man sich untereinander etwas besser organisieren könnte.
Ich habe mal mitbekommen, dass ein anderer Shopbesitzer mehrfach Skater angemotzt hat, die mit einem Shirt oder Pulli von mir in seinen Laden gekommen sind, und denen er dann „for free“ etwas zum Anziehen von seinem Shop angeboten hat. Das kam aber nicht gut an und ging eher nach hinten los für ihn – seine eigenen Teamrider haben ihm die Meinung gegeigt, und inzwischen ist er da auch entspannter geworden.
Wenn alle etwas für die Szene tun, vergrößern wir dadurch den Markt, und niemand nimmt sich gegenseitig etwas weg. Aber auch die bekannten Skate-Ketten in Deutschland – on- und offline – haben absolut ihre Berechtigung: Sie geben Skateboardern Jobs, machen Sponsoring, haben ein breites Sortiment. Nur diesen Dauer-Preiskampf könnten sie etwas runterfahren. Wobei es nicht mehr ganz so schlimm ist wie letztes Jahr – sie haben wohl gecheckt, dass sie sich dadurch nur selbst in die Insolvenz reiten.
Was für alle Händler und auch für die Vertriebe spürbar ist: Viele Skatefirmen verkaufen inzwischen mit ihren eigenen Onlineshops direkt an Endkunden. Aus deren Sicht verständlich, aber eben ein weiterer Faktor, warum im Einzelhandel weniger geht.
Also: Die Zeiten sind nicht einfach, aber waren sie das jemals? Dinge wandeln sich, und jammern bringt am wenigsten. Wenn es nur ein Patentrezept gäbe, wie man sich heutzutage als Händler aufstellen sollte.
Mit Ladengeschäft allein ist es inzwischen echt schwierig – da müssen alle Faktoren stimmen, damit die Leute ihren Hintern zu dir bewegen. Eine gute Innenstadtlage und die gängigen Marken ins Schaufenster stellen bringt schon lange nichts mehr.
Ein reiner Onlineshop kann in der Skateszene auch seine Berechtigung haben, wenn er Seele hat und etwas für tatsächliches Skateboarding tut. Aber so richtig geil ist es halt nicht in meinen Augen. Und die Mischform – online kannst du nicht einfach nebenher machen. Da musst du immer dranbleiben, die Leute kommen ja nicht von alleine auf deine Seite. In einem 08/15-Shop mit Bildern, auf denen du nur das Design vom Deck erkennst und keine Information zur Wheelbase bekommst, wird nicht viel gehen.
Dann gibt es unzählige Faktoren: Suchmaschinenoptimierung und Anzeigenschaltung, Conversion-Rate-Optimierung, Welcome-Mails, Newsletter und so viele Dinge in der Organisation eines Onlineshops, damit alles flüssig läuft und der Kunde möglichst am nächsten Tag schon sein Paket öffnen kann. Meine To-Do-App ist ständig gespickt mit Baustellen und Ideen, wie ich die Abläufe kundenfreundlicher und für mich effizienter machen kann. Mein Vorteil ist, dass mir durch meine Non-Skate-Jobs zwischendurch sowohl das Technische als auch das Marketing leicht von der Hand geht und ich die üblichen Kennzahlen im Onlineshop auch recht gut lesen kann – also bis auf gelegentliche Guest-Board-Designs wirklich gar nichts an Agenturen oder Freelancer auslagern muss. Sonst würde das Ganze sich ziemlich sicher nicht rechnen.
Ich habe ja nun Erfahrung mit verschiedenen Shop-Szenarien, wie vorhin berichtet: Erst als Angestellter in einem Franchise-Titus – das war allerdings noch kurz bevor das Onlinegeschäft zum Thema wurde. Die erste MISSION 2008–2013 war dann ein 30-m²-Shop mitten in der Stadt, mit angeschlossenem Webshop, der vielleicht 10 % vom Umsatz ausgemacht hat. Hat insgesamt nicht gereicht.
Dann habe ich für eine kleine Elektrokette, die nur stationär verkauft hat, den Onlineshop aufgebaut und die Printwerbung koordiniert, bis die von MediaMarkt aufgekauft wurden, wo ich dann ein Jahr lang Eindrücke bekommen habe, wie die Strukturen in so richtig großen Shops aussehen. Das war zwar sehr interessant, aber nichts, wo ich meine „Karriere“ gesehen hätte. Der nächste Job war dann im „international core marketing team“ eines taiwanesischen Elektronik-Players: B2B-Webseiten und Kundenportale entwickeln. Auch das war nicht mein Leben, aber ich habe vieles mitnehmen können für mein jetziges eigenes Ding.
Also: ROLLBRETT MISSION Relaunch 2022, wieder zunächst rein online und nach einem Jahr mit dem „Lagerverkauf“. Das funktioniert derzeit relativ gut, also plaudere ich gerne ein wenig weiter aus dem Nähkästchen. Zurzeit kommen etwa 70 % des Umsatzes über den Webshop. Der lokale Bekanntheitsgrad der MISSION sorgt dafür, dass aus der Region etwas mehr Bestellungen kommen, aber insgesamt verteilt es sich relativ gleichmäßig über ganz Deutschland. Neukunden erreiche ich entweder klassisch über Produktsuche bei Google und über Meta Ads, immer mehr auch viral über Social-Media-Posts und natürlich durch persönliche Weiterempfehlung. Meine Wiederbestellquote ist ziemlich gut. Viele, die die MISSION zufällig entdeckt und mal eine Kleinigkeit bestellt haben, sind zu Stammkunden geworden, weil sie offenbar zufrieden sind.
Social Media ist da elementar für die Kundenbindung. Ich will jedem, der nicht die Möglichkeit hat, vorbeizukommen, wenigstens das Feeling bieten und poste deshalb regelmäßig Stories aus dem Ladenalltag. Das geschieht fast immer spontan, beispielsweise wenn gerade schöne neue Boards reingekommen sind. Manche Themen wiederholen sich auch immer wieder, weil sie gut ankommen: „Video of the Day“ z. B., welche VHS heute im Player läuft. Oder das Deck am Shape erkennen, wenn ich für einen Kunden Grip aufziehe. Und mein mit alten Decks verkleideter Bollerwagen (Danke an Praktikant Marlon), mit dem ich die Pakete jeden Nachmittag zur Post rüberschiebe. Ich poste parallel auf Insta und Facebook als wichtigste Kanäle. Ausgewählte Videos kommen dann auch auf YouTube. TikTok habe ich wieder komplett bleiben lassen – dort geht mir alles zu sehr auf den Sack.
Alltag eines Shopbetreibers, bzw. mein eigener: Vormittags packe ich die Pakete, und je nachdem, was mit den Kindern ansteht, mache ich drei- bis viermal die Woche den Shop offiziell auf. Wenn gerade nichts los ist, stelle ich oft einfach das „Bin im Skatepark“-Schild ans Tor und mache Slappies, bis jemand etwas braucht. Und zwischendurch den ganzen Tag, meistens bis zum Schlafengehen, werden Kundenanfragen beantwortet, Ware nachbestellt oder fotografiert und eingepflegt, Produkttexte verbessert – es gibt praktisch immer etwas zu tun, und mir macht das Ganze ja auch Spaß. Stunden zählen fange ich nicht an, aber ich genieße die Flexibilität.
Das Wichtigste ist letztendlich nur, dass du als Shopbetreiber den Leuten Bock auf Skateboarding machst. Dann kaufen sie sich ein Skateboard.
Wohl wahr!
Wie sieht es mit der Perspektive für den Laden aus, bzw. wohin denkst du, wird die Reise gehen?
Momentan wachse ich von Umsatz und Sortiment noch langsam, aber stetig. Aber auf Teufel komm raus „hochskalieren“ muss ich das Ganze nicht. Das hieße mehr Risiko, mehr Kapital, mehr Kompromisse, alles nur mehr mehr. Zusätzliche Filialen oder massive Sortimentserweiterung stehen also nicht an. Das wäre mir zu viel Stress und Kapitalismus.
Ich will noch genug Zeit für meine Kinder haben, muss auf meine mentale Gesundheit achten, möchte mich möglichst viel mit Skateboards beschäftigen und habe sonst keine teuren Hobbys. Wenn es zum Leben reicht, meine Kunden glücklich sind und die Szene in der Gegend sich weiter gesund entwickelt, genügt mir das. Wenn es so sehr wächst, dass ich nicht mehr alle Kundenanfragen persönlich beantworten kann, ist es nicht mehr „meine“ Mission.
Ich will ROLLBRETT MISSION als Marke für Decks und Hoodies noch etwas bekannter machen, aber das wird sich weiter ganz organisch entwickeln. Mit klassischen Marketingkampagnen und dem ganzen Agenturscheiß kenne ich mich zwar auch aus, habe davon aber die Schnauze mehr als voll aus meinen früheren Jobs. Ich freue mich über jeden, der bei mir bestellt, ob es nur ein T-Shirt oder ein Satz Schrauben ist oder ein komplettes Setup. Aber bitte: Falls du noch einen eigenen Local Shop hast, bitte unterstütze zuerst diesen.
Mittelfristig schiele ich schon nach der Rente. Wenn meine Jüngste flügge ist, ziehe ich zu meiner Mutter auf die Kanaren, klatsche mir ein paar Slappy Curbs vor meine Hütte und mache von dort aus irgendwas. Das ist in gut 10 Jahren. Bis dahin hoffe ich, dass mein Vermieter das alte Gebäude noch stehen lässt, dort sollen nämlich irgendwann Mehrfamilienhäuser entstehen, das Projekt ist nur auf Eis. Falls ich vorher raus muss, geht es irgendwo anders weiter, aber das lasse ich dann auf mich zukommen. Geht immer irgendwie weiter!
Skateshop: www.ROLLBRETT-MISSION.de – www.instagram.com/rollbrettmission Davids Skateboarding: www.instagram.com/ROLLBRETTfahrer77 Bilder teilweise von Markus Dietze Fotografie: www.dietzefotografie.com
Der Plan B Skateshop aus Bochum ist seit fast einem Vierteljahrhundert eine feste Größe in der Skateshopszene im Ruhrgebiet. Wir haben mit Inhaber Jochen Sebold...
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