Im Gegensatz zu anderen Skatern, deren Ernährungsgewohnheiten oft irgendwo zwischen Dönerbude und Dosenbier liegen, hat Deutschlands Vert Export Nr. 1, Jürgen Horrwarth, schon immer auf seine Ernährung geachtet. Deshalb ist es nicht ganz so verwunderlich, dass er letzte Woche in Berlin am Görlitzer Park ein Health-Food-Cafe eröffnet hat. Trotzdem haben wir nachgefragt, wie der Wechsel von Vertcoping zu Kuchentheke so gelingt.
Hi Jürgen, du hast kürzlich dein eigenes Kaffee eröffnet, erzähl mal.
Also die Grundlage der Idee besteht neben Kaffee und Kuchen auch aus Sandwiches, Rohkostsalaten, Smoothies und frischen Säften. Der Hauptteil, das Frühstück, soll aus Bio- und Regionalprodukten bestehen, wobei alles auf der Health-Food Schiene läuft, auf der wir versuchen sowohl vegan und vegetarisch, als auch laktosefrei dienen zu können. Durch das Angebot internationaler Speisen, welche ich auf meinen Reisen kennengelernt habe, sprechen wir noch mehr Menschen an.
Was ist das Highlight oder dein persönlicher Favorit im Speiseangebot?
Mein persönliches Highlight ist Eggs Benedict. Das ess ich selbst super gern und wir bieten auch verschiedene Varianten an. Dennoch bleiben wir bodenständig und klassisch, schön serviert aber kein fancy Gourmetladen. Wir bieten auch nur, abgesehen von Bacon, sporadisch Fleisch an. Weil wir auch nur Morgens- und Mittags-Angebot haben, bieten wir vorerst auch keinen Alkohol an. Es gibt ja Läden, da geht man rein und hat ein Überangebot von Speisen, bei uns ist das alles übersichtlicher, wobei man immer Zusatzoptionen hat.
Wir haben der Euphorie freien Lauf gelassen, standen dann plötzlich da und meinten, „Gut, wir haben spontan ein Kaffee übernommen“
Ist das eigentlich so, dass Vert-Fahrer sich gesünder und ausgewogener ernähren als Bowl- oder Streetskater? Wenn ich mich recht erinnere, hat auch Bob Burnquist vor Jahren mal einen Laden aufgemacht?
Stimmt, der hatte das Cafe Melodia in Encinitas, das ging aber schnell nicht mehr, weil sein Team nicht auf Zack war oder es ihm zu viel wurde. Ich merk das gerade selbst, man macht das nicht so nebenbei. Ich hab zum Glück ein gutes Vollzeitteam, die sich damit beschäftigen. Ich bin zur Zeit oft hier und werde, wenn alles läuft, zwei mal die Woche in der Küche stehen. Service ist nicht mein Ding, aber meine Freundin ist gelernte Fachkraft und hat das drauf. Das macht den Unterschied zu Ungelernten aus. Das ist wie im Skaten, wenn man einen Smithgrind machen will, aber einen heruntergehangenen 5-0 macht, das ist nicht das Gleiche. Es muss einfach Basicwissen da sein, das merkt dann auch der Gast.
Wer ist denn neben deiner Freundin noch im Team?
Meine Freundin ist im Service und eine Freundin von uns, die Jule, ist in der Küche. Ich bin Inhaber und Geschäftsführer und mach alles so ein bisschen. Wir teilen uns die Arbeit aber so auf, dass wir im Endeffekt sogar die Deko und jedes kleinste Schildchen gemeinsam machen.
Wann ist denn die Idee dazu gekommen? Hast du das schon lange vorgehabt und darauf hingespart?
Die Idee gibt’s schon länger, ich träum schon immer davon, eine Bar oder eine Skaterbar zu machen. Aber ich hab schnell gemerkt, dass diese Nachtsszene mit Schankanlage viel aufwändiger ist und man es einfach nicht zu zweit machen kann. Wir sind dann in Richtung Kaffee gegangen und tüfftelten seit zwei Jahren an der Idee herum und holten uns Inspirationen auf unseren Reisen. Die Idee stand im Raum, wir haben es aber nie wirklich versucht. Irgendwann bin ich dann hier in dem Laden einen Kaffee trinken gewesen und wollte ein paar Tage später die Location meiner Freundin zeigen, dann war geschlossen und es stand „zu vermieten“ da. Das war der Wink mit dem Zaunpfahl: Jürgen ruf da an! Wir waren dann wohl unter den Ersten und eine Woche später haben wir unterschrieben. Wir haben der Euphorie freien Lauf gelassen, standen dann plötzlich da und meinten, „Gut, wir haben spontan ein Kaffee übernommen“. Nachdem das Konzept dann kurzfristig erstellt war, hat sich alles langsam entwickelt, obwohl wir keinerlei Überblick über das Buisness oder die Finanzen hatten. Es gab aber kein Zurück mehr und wir haben drei Monate alles hergerichtet, bis es uns gefallen hat und jetzt haben wir den 3. Tag geöffnet. Wir haben zwar den Sommer verpasst, hoffen aber, dass es auch im Herbst gut anläuft.
Ich habe jetzt keinen gezielten Gedanken, das ist eher ein Experiment, ich wollte das einfach mal versuchen
Habt ihr auch viele Skater als Kunden gehabt?
Ja, viele Homies haben schon mal vorbeigeschaut, einige haben es auch noch nicht geschafft. Aber da mach ich mir keine Sorgen, dass die Jungs hier irgendwann zu Stammkundschaft gehören.
Wie ist es bei dir jetzt mit Skaten, wenn du zwei mal die Woche in der Küche bist und so auch jeden Tag da sein musst. Wirst du da zurückschalten?
Ich habe ja jetzt schon einen Gang zurückgeschalten. Erst hatte ich gar nicht mehr so Bock auf Skaten, dann hatte ich vom Umbau eine echt krasse Hüftzerrung und wenn man hier zwölf Stunden arbeitet, dann geht das halt auch nicht mehr. Jetzt geh ich so alle zwei Wochen los, wenn ich echt Bock und Zeit habe. Das wird in Zukunft schon so sein, dass ich hier oder in Nähe vom Kaffe bin, aber das Gute ist, dass ich es mir aussuchen kann und ich fahr dann eben hier auf einen Contest und da auf eine Tour. Es ist aber auch schade, dass ich nicht regelmäßig drin bin im Skaten. Wenn man alle zwei Wochen mal skatet, dann kann’s entweder eine gute Session werden oder total in die Hose gehen. Aber wenn man so lange fährt wie ich, dann weiß man auch was man kann und was einem Spaß macht. Ich muss jetzt halt einfach sagen, ich geh skaten wenn ich Zeit und Muse habe und genieß das dann auch. Hoffentlich läuft es hier in einem Jahr so gut, dass ich nicht mehr immer da sein muss.
Bildergalerie
6 BilderIst das deine Zukunftsoption, das Cafe Fulltime zu machen oder gar zu expandieren?
Ich habe jetzt keinen gezielten Gedanken, das ist eher ein Experiment, ich wollte das einfach mal versuchen, ob wir das hinbekommen. Meine Freundin hat erst in einem Club gearbeitet und ist jetzt super froh, dass sie tagsüber arbeiten kann. Allein das ist schon wunderbar, dass wir unsere eigene Arbeit geschaffen haben. Das ist auch als eine Art Liebeserklärung an mein Mädchen passiert und um ihr einen Job am Tag zu ermöglichen, wo sie ihr eigener Chef ist. Für mich ist das nicht so, dass ich jetzt Gastronom sein und nicht mehr skaten will. Ich würde schon noch gerne zwei Jahre Gas geben, aber das mit den Sponsoren ist eben nicht mehr so, wie es mal war. Ich bin kein Schuh- und kein Klamotten-Pro mehr. Ich bekomm zwar von Etnies noch Schuhe, bin aber vom Proteam runter. Ebenfalls von Volcom. Das kam etwa zeitgleich und hat mich Wochen runtergezogen. Da wechselt die Chefetage und dann ist man sofort abgesägt, wenn es den Neuen nicht interessiert was man für die Company all die Jahre gemacht hat. Aber das ist für mich kein Grund, mit dem Skaten aufzuhören. Ich hab den Bewegungsdrang eines Skaters, ich beweg mich hier im Kaffee zwar auch viel, aber das ist halt nicht das Gleiche.
Der Trap Part wird also demnächst auch fertig gefilmt?
Der Part war eigentlich zwischendurch mal fertig, aber ich wollte noch eine handvoll Tricks abarbeiten. Jetzt bin ich dran, noch Tricks zu filmen, aber es kann auch sein, wegen dem Wetter zur Zeit, dass die Rohfassung rauskommt. Wenn ich keine Zeit mehr hab, kommt er so raus, weil ich auch nicht nur in der Halle filmen will. Klar Halfpipe Tricks sollen auch noch mehr rein, aber auch Street. Ich setz mich da nicht zu sehr unter Druck, wenns nicht so sein soll, solls nicht so sein.
Café Örly am Görli
Frühstückscafé mit folgendem Angebot:
– Müsli
– Frisch gepresste Säfte
– Smoothies
– Eierspeisen aller Art (neben den Basics gibt’s z.B. „Eggs Benedict“ + „English Breakfast“)
– Kaffee
– Kuchen
– Salate + Sandwiches
Alles möglichst regional und ökologisch bezogen
Öffnungszeiten:
Mittwoch, Donnerstag
8-18 Uhr
Freitag – Sonntag
9-18 Uhr
Adresse:
Cafe Örly
Görlitzer Straße 38
10997 Berlin
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